In den Vorlesungen nach 1927 und vor allem in dem mehrfach mitgeteilten, aber ungedruckten Vortrag »Vom Wesen der Wahrheit« (1930)5 ist der Begriff der Existenz im Sinne der seinverstehenden Ausgesetztheit in das Offene des Seienden entwickelt worden. Das Wort »Existenz« wird dabei nach »Sein und Zeit« ekstatisch und damit wesentlich anders begriffen als in der scholastischen Erklärung der ex-sistentia. Gemeint ist nicht das Herausgesetztsein eines beliebigen Wirklichen aus der vormaligen Unwirklichkeit (dem Nichts) in seine Wirklichkeit, sondern die Ausgesetztheit ins Offene, das Innestehen in der ekstatischen Entrückungseinheit ist die Weise, wie einzig das Dasein west als Jenes, worin das Menschsein gründet.
Wenn überhaupt eine Entgegensetzung zum geläufigen Existenzbegriff verstattet ist, dann wäre zu sagen: nicht eine Herausgesetztheit »aus« dem Nichts im Sinne einer Übertragung von Nichtwirklichem ins Wirkliche, sondern die ekstatische Hineinversetztheit in das Offene des Seins und damit gerade in das Nichts, wenn anders das Nichts zum Wesen des Seins gehört.
(Trotzdem das Wort »Ex-sistenz« im Hinblick auf den ekstatischen Charakter des Da-seins dessen Wesen in schöner Anmessung zu nennen vermag, habe ich seit dem öffentlichen Bekanntwerden der »Existenzphilosophie« [K.Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, 1931. - Vgl. S.23f. und 144ff.] das Wort »Existenz« aus dem Wörterbuch des Denkens im Umkreis der Frage von »Sein und Zeit« gestrichen. Gebraucht wird statt dessen der scheinbar gegenteilige Name »Inständigkeit«. Darin liegt das Zweifache: Innestehen in der ekstatischen Offenheit der »Zeit«; dieses Innestehen aber ist zugleich »inständig« im Sinne von »ohne Unterlaß verbleibend im Wesensbezug zum Sein des Seienden«; die »Inständigkeit im Sein« wird »Sorge« genannt. Aber auch dieses Wort ist noch von der Alltagssprache
5 Jetzt in: Wegmarken, hrsg. von F.-W. von Herrmann, Gesamtausgabe Bd. 9, Frankfurt/M. 1976, S, 177-202.