Licht der abendländische Mensch das Wahre sucht und findet und sichert und verwandelt.
Der Anfang als Anfang der Geschichte ist nur dort, wo Freiheit ist, das heißt dort, wo ein Menschentum entscheidungshaft zum Seienden und seiner Wahrheit sich verhält. Völkerschaften und Rassen können, wenn es auf das bloße »Leben« ankommt, auch leben ohne Geschichte; der bloße Ablauf von »Leben« ist noch keine Geschichte, auch dann nicht, wenn dabei sehr viel ›passiert‹, das heißt vorbeigeht.
Der Anfang unserer Geschichte ist das Griechentum; wir sehen hier etwas Wesenhaftes, was noch unvollzogene Entscheidungen in sich birgt. Dieser Anfang ist uns nicht »Altertum« und die Besinnung darauf nicht eine bloße Beschäftigung aus der Absicht, ein überkommenes Bildungsgut zu retten. Der Geschichtsdenker Jakob Burckhardt (der zum Glück nie ein »Historiker« war) sagte schon vor Jahrzehnten: Die Beschäftigung mit dem Altertum »wird überhaupt hie und da wie ein armer alter Verwandter behandelt, den man schandenhalber nicht ganz darf untergehen lassen. «1
Das Rüstzeug, das zur Besinnung auf den Anfang gehört, ist innerhalb der Aufgabe dieser Vorlesung unmittelbar nur für den nötig, der versucht, hier erst einmal eine Gelegenheit zur Besinnung zu geben. Wo es daher nötig wird, das griechische Wort alter Sprüche zu Gehör zu bringen, kann die Übersetzung genügen, unter der Bedingung freilich, daß die Erläuterung dessen, was das Wort uns sagt, nicht fehlt, daß sie durchdacht wird im Gesichtskreis unseres eigenen Erfahrens und Wissens. Außerdem ist die Sprache der Deutschen wie keine andere geeignet, das alte griechische Wort zu übersetzen, vollends dann, wenn das griechische Wort nicht in einen bloß vorhandenen deutschen Sprachgebrauch übertragen, sondern dieser selbst dabei zugleich erneuert und anfänglich wird.
1 J. Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, Ges. Ausg. Bd. VII: Historische Fragmente aus dem Nachlaß, hrsg. von A. Oeri und E. Dürr, Berlin und Leipzig 1929, S. 229.