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Die Suche nach dem freien Gebrauchdes Eigenen

Der Übergang vollzieht sich hier nur in der Langsamkeit der zögernden Scheu vor dem Unmachbaren. Im Wehen der von goldenen Träumen schweren Lüfte sind die langsamen Stege die unscheinbaren, aber ursprünglich gewachsenen und doch nur den Wenigen und Einzelnen vorbehaltenen, schmalen Brücken. Zwar scheint diesen Brücken, den Stegen, der Brückenschwung zu fehlen, da sie eben und gerade von Ufer zu Ufer geleiten. Aber ihr Brückenschwung fehlt nicht. Er ist nur dem gewöhnlichen Auge und Fuß verborgen. Er ist höher als je nur der Schwung einer weitausladenden breiten, von jedermann jederzeit in beliebiger Hast übereilbaren Brücke sein kann. Die Höhe des Brückenschwungs der Stege bestimmt sich aus dem Hohen und Höchsten der über ihnen hinziehenden Lüfte und d. h. zugleich aus dem Gold der Träume.

Das Grüßen des Dichters, das sich mit dem Ende der zweiten Strophe vollendet, gehört selbst zu einem Übergang. Der Steg geht zwischen dem Ende der zweiten Strophe und dem Beginn der dritten Strophe hin.


43. Griechenland und Germanien: Die Ufer und Seiten des Übergangs zum Lernen des geschichtlich Eigenen


Der Übergang von Strophen zu Strophen scheint sich zwar nur im Äußeren der Gedichtform zu halten. Aber inzwischen ahnen wir Einiges vom Gedichteten der beiden ersten Strophen. Das südliche Land und das heimische Land des Dichters, Griechenland und Germanien, enthüllen ihren verborgenen Bezug. Dieser erschöpft sich nicht in historisch erzählbaren Beziehungen einer Geistesgeschichte der beiden ›Kulturen‹. Der Bezug selbst gründet sich im Wort einer dichterischen Stiftung. Das »Feuer des Süds« und der »kärgliche Nord« (Elegie »Der Wanderer«)bezeichnen hier nicht ›Typen‹ vorhandener Länder und Völker, die nur in vergleichend historischer Betrachtung sich gegeneinander ausspielen ließen. Griechenland und Germanien nennen die Ufer und Seiten eines Übergangs. Weil der

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