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Anmerkungen zu Hölderlins Hymnendichtung

In der Jugend, wo er zu wachsen
Anfängt, es treibet ein anderer da
Hoch schon die Pracht, und Füllen gleich
In den Zaum knirscht er, und weithin hören
Das Treiben die Lüfte,
Ist der betrübt;
Es brauchet aber Stiche der Fels
Und Furchen die Erd',
Unwirthbar wär es, ohne Weile;
Was aber jener thuet der Strom,
Weis niemand.


Das Gedicht dichtet einen Strom. Die Ströme gehören zu den Wassern. Wenn zu solcher Dichtung einiges angemerkt wird, bedenken wir, was anderen Orts von den Wassern gesagt ist:


Der Urahn aber
Ist geflogen über der See
Scharfsinnend, und es wunderte sich
Des Königes goldnes Haupt
Ob dem Geheimniss der Wasser,
...

»Der Adler« (IV, 223)


b) Erörterung des Anfangs: »Jezt komme, Feuer!«


Das Gedicht »Der Ister« beginnt als ein Rufen:


»Jezt komme, Feuer!«


»Das« Feuer ist gerufen im Sinne eines Herbeirufens. Und doch hat dieses Rufen andere Art als das eigenmächtige Herbeiholen und Herbefehlen (»Zitieren«). Der Ruf ruft zugleich das Gerufene an, die Anrufung bezeugt dem Angerufenen seine Würde. Was da kommen soll, kommt von sich aus. Nicht der Ruf bewegt erst das Kommende zum Kommen.


Martin Heidegger (GA 53) Hölderlins Hymne »Der Ister«

GA 53