19. Fortsetzung der Ausführungen über den Herd als das Sein
a) Zusammengehörigkeit von Dichten und Denken
Gesetzt nun aber, daß die »Mythologie« nicht eine Götterlehre ist, die sich die Menschen erfinden, weil sie noch nicht »reif« sind für eine exakte Physik und Chemie, gesetzt, daß die Mythologie der geschichtliche» Prozeß« ist, in dem das Sein selbst dichterisch zur Erscheinung kommt, dann steht das Denken im Sinne des wesentlichen Denkens in einem ursprünglichen Bezug zur Dichtung. Welcher Art diese ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Dichten und Denken ist, kann hier nicht erörtert werden; noch weniger können wir weitläufig auf die gewöhnliche Bestimmung dieses Verhältnisses eingehen, wonach das Denken der Philosophie das Gedicht der Mythologie vom Mythischen befreit und den verbleibenden Gehalt in das starre Gestänge und Geschiebe leerer Begriffe umschmelzt. Nach dieser Meinung ist dann das Denken überhaupt nichts anderes als die »Entmythisierung« des Mythos. Man stellt sich diesen Prozeß vor wie die Entwässerung eines Sumpfgeländes, nach deren Vollendung dann der »trockene« Boden übrig bleibt. Als läge das Denken schon fertig im Dichten und bräuchte nur vom »Dichterischen« befreit zu werden. Als eignete dem Denken nicht ein eigener, dem Dichten gleichwesentlicher, aber deshalb gerade grundverschiedener Ursprung.
Das Denken ist nicht der Bodensatz des entmythisierten Mythos. Diese weit verbreitete aufklärerische Meinung, die das übliche Bild vom Wesen des abendländischen Denkens bestimmt, weiß weder, was Dichtung ist, noch versteht sie das Wesen des Denkens. Hierbei ist zu beachten, daß die »Aufklärung« im Sinne der durchgängigen Erklärung von allem aus den vemunftmäßig einsichtigen Gründen zum Wesen der Metaphysik gehört. Deshalb kommt auch in einem besonderen Zeitpunkt innerhalb der Geschichte der Metaphysik ein