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Einleitung

Zum anderen weist das Wort »Unverborgenheit« darauf hin, daß zu dem, was die Griechen als das Wesen der Wahrheit erfahren, so etwas wie eine Aufhebung und Beseitigung der Verborgenheit gehört. Die Vorsilbe »Un-« entspricht dem griechischen ά-, das man grammatisch »a privativum« nennt. Von welcher Art jeweils die privatio, die Beraubung und Wegnahme ist in dem, was die privativen Wortbildungen benennen, das muß jedesmal im Hinblick darauf umgrenzt werden, was einer Beraubung und Beeinträchtigung ausgesetzt ist. »Un-verborgenheit« kann heißen, daß Verborgenheit weggenommen, beseitigt, überwunden, gebannt ist, wobei sich Wegnehmen, Beseitigen, Überwinden, Bannen wesentlich unterscheiden. »Un-verborgenheit« kann auch heißen, daß Verborgenheit gar nicht zugelassen ist, daß sie, die möglich ist und ständig droht, nicht besteht und nicht aufkommen kann. Aus dieser Mehrfältigkeit der Bedeutung der Vorsilbe »Un-« ersehen wir leicht, daß schon nach dieser Hinsicht die Un-verborgenheit schwer zu bestimmen ist. Und doch tritt gerade hier ein Grundzug des Wesens der Un-verborgenheit heraus, den wir eigens in den Blick fassen müssen, um das griechische anfängliche Wesen der »Wahrheit« zu erfahren. In der Un-verborgenheit selbst west noch diese Gegnerschaft. Im Wesen der Wahrheit als der Un-verborgenheit waltet irgendeine Art von Streit mit der Verborgenheit und der Verbergung.


Wiederholung


2) Die Frage nach dem Namen der Göttin und seiner Übersetzung. Das der Verborgenheit entgegenliegende Wesen der Wahrheit der ersten beiden Weisungen. Die Un-verborgenheit und die Un-verborgenheit


Das Stück, das wir als erstes erläutern, gehört zum Fragment I und beginnt Vers 22: καί με θεά πρόφρων ύπεδέξατο, ... »Und mich nahm die Göttin zugeneigten Sinnes auf ...«


Martin Heidegger (GA 54) Parmenides

GA 54