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Zusatz

aber ist das Sterben des Todes, der das Menschsein opfert für die Wahrung der Wahrheit des Seins. Dieses Opfer ist die reinste Erfahrung der Stimme des Seins. Wie aber, wenn dasjenige geschichtliche Menschentum, das gleich den Griechen zum Dichten und Denken berufen ist, das deutsche, wie aber, wenn dieses zuerst die Stimme des Seins vernehmen muß! Müssen dann nicht hier die Opfer sein, gleichviel, durch welche Ursachen im nächsten sie ausgelöst werden, da das Opfer in sich sein eigenes Wesen hat und keiner Ziele und keines Nutzens bedarf! Wie also, wenn in unserer geschichtlichen Bestimmung die Stimme des Anfangs sich ankündigte?

Wie aber, wenn der Anfang in die Vergessenheit gefallen wäre? Müssen wir dann nicht auch erst erfahren, daß das Vergessen nicht eine bloße Nachlässigkeit und ein Versäumnis des Menschen ist, sondern ein Ereignis, das zum Wesen des Seins selbst, und d. h. zur Unverborgenheit, gehört?

Wie, wenn nicht nur der Mensch das Wesen des Seins vergessen, sondern wenn das Sein selbst den Menschen vergessen und ihn in die Selbstvergessenheit losgelassen hätte? Reden wir hier von der λήθη nur zur gelehrten Unterhaltung?

Die Griechen schwiegen viel über die λήθη. Zuweilen aber sagen sie ein Wort. Hesiod nennt sie in eins mit λιμός, dem Ausbleib der Speise als eine der Töchter der verhüllenden Nacht. Pindar sagt von ihr und weist unserem Blick die Richtung in ihr verborgenes Wesen.

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