DRITTES KAPITEL
Das Phänomen des Historischen
§ 7. Das Historische als Kernphänomen
Wir wollen nun versuchen, ein Kernphänomen herauszustellen, das die Sinnzusammenhänge der drei Titelworte durchherrscht (»Einleitung in die Phänomenologie der Religion«). Dieses Kernphänomen ist das »Historische«. Sofern wir es also darauf absehen, in dem unter der Titelbedeutung Gemeinten das Historische als Kernphänomen anzusetzen, werden wir in unmittelbarer Erfahrung nachsehen, inwiefern die Phänomene, die uns beschäftigen, als historische charakterisiert werden können. Inwiefern sind »Einleitung«, »Philosophie«, »Religion« historische Phänomene? Es scheint selbstverständlich zu sein, daß die Einleitung in eine Wissenschaft historisch ist. Wissenschaft ist ein Zusammenhang von zeitlos gültigen Sätzen. Der Prozeß des Einleitens verläuft dagegen in der Zeit, ist abhängig von dem jeweiligen, faktisch-historischen Stande der Wissenschaft etc. Ähnliches gilt für Philosophie und Religion. Sie unterstehen auch der historischen Entwicklung. Aber ist das Historische nicht gerade für die Philosophie, die ewig Gültiges sucht, gleichgültig? Ferner: Paßt nicht die Charakterisierung als >historisch< auf jedes beliebige Phänomen? Wenn wir nun aber behaupten, daß die philosophische Problematik sich prinzipiell aus dem Historischen motiviert, so ist das nur möglich, insofern der Regriff des Historischen vieldeutig ist. Jedenfalls ergibt sich die Notwendigkeit, das Problem des Historischen prinzipiell zu fassen und sich nicht bei den Retrachtungen des gesunden Menschenverstandes zu beruhigen.
Wir haben Philosophie und Religion charakterisiert durch