2. Uti und frui
[Ergänzung zu § 12 b]
Ein Grundcharakteristikum des Lebens ist das curare (das Be- kümmertsein), es ist als vox media in bonam et in malam partem gemeint: es gibt echte und unechte Bekümmerung (letztere = ›Geschäftigkeit‹).
Uti: ich ›gehe‹ mit dem ›um‹, was das Leben mir zuträgt, dies ist ein Phänomen innerhalb des curare.
Frui: ›genießen‹. — »Beatus est quippe qui fruitur summo bono.«1 Ein bestimmter ästhetischer Grundsinn ist darin beschlossen; man merkt den neuplatonischen Einfluß: das Schöne gehört zum Wesen des Seins.
Dann sagen wir, eine Sache ist ein Genuß, wenn »quae nos non ad aliud referenda per se ipsa delectat«2.
Als uti begreifen wir diejenige Weise des Gefallens, wenn wir das Etwas erstreben um eines anderen willen (»uti vero ea re [dicimur], quam propter aliud quaerimus«3).
Im Genießen sollen wir die ewigen und unveränderlichen Dinge haben. Das rechte Verhalten zu den übrigen ist das uti, da wir gerade dadurch zu dem frui des Echten kommen (vgl. De doctrina christiana lib. 1, cap. 22).
Im Genuß zu stehen hat nur die trinitas, das ist das höchste und unveränderliche Gut.
Fruendum est rebus invisibilibus. »Frui enim est amore alicui rei inhaerere propter seipsam. Uti autem, quod in usum venerit ad id quod amas obtinendum referre, si tamen amandum est.«4
»Omnis itaque humana perversio est, [. . .], fruendis uti velle, atque utendis frui. Et rursus omnis ordinatio, quae virtus etiam
1 De libero arbitrio II 13, 36; PL 32, S. 1260.
2 De civitate Dei libri XXII, recogn. R. Dombart, Leipzig 1877. XI 25; Rd. 1, S. 496.
3 Ebd.
4 De doctrina christiana I 4,4; PL 34, S. 20.