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Einleitung

Fragen an das Sein. Obzwar die überlieferte Ontologie vorgibt, mit den allgemeinen Bestimmtheiten des Seins sich zu beschäftigen, hat sie auch einen bestimmten Seinsbezirk im Auge.

Im modernen Sprachgebrauch besagt Ontologie soviel wie Gegenstandstheorie, und zwar zunächst formale; sie kommt in dieser Hinsicht mit der alten Ontologie (»Metaphysik«) überein.

Die moderne Ontologie bleibt aber nicht isolierte Disziplin, sondern steht in einer eigentümlichen Verklammerung mit dem, was im engeren Sinne unter Phänomenologie verstanden wird. Ein forschungsmäßiger Begriff ist erst in der Phänomenologie erwachsen. Ontologie der Natur, Ontologie der Kultur, materiale Ontologien: sie bilden die Disziplinen, in denen der Gegenstandsgehalt dieser Regionen nach seinem sachhaltigen kategorialen Charakter herausgeschält wird. Das so Beigestellte dient dann als für die Probleme der Konstitution, die Struktur- und Genesiszusammenhänge des Bewußtseins von Gegenständen dieser oderjener Gattung.

Umgekehrt wird nur von der Phänomenologie her die entsprechende Ontologie auf die sichere Problembasis gehoben und in geordneter Bahn gehalten. Im Hinsehen auf das Bewußtsein von- ist auch und nur so das Woven, d. h. der Gegenstandscharakter eines Seienden als solcher, sichtbar. Und auf die Gegenstandscharaktere des jeweiligen Seinsgebietes kommt es den Ontologien an. Gerade nicht auf das Sein als solches, d. h. das gegenstandsfreie. Phänomenologie im engeren Sinne als Konstitutions-Phänomenologie. Phänomenologie im weiteren Sinne Ontologie miteinbegreifend.

In solcher Ontologie wird aber die Frage, aus welchem Seinsfeld der entscheidende und alle Problematik führende Seinssinn zu schöpfen sei, überhaupt nicht gestellt. Sie ist ihr unbekannt, und damit bleibt ihr auch selbst ihre eigene sinngenetische Abkunft verschlossen.

Das grundsätzliche Ungenügen der überlieferten und heutigen Ontologie ist ein doppeltes:


Martin Heidegger (GA 63) Ontologie: Hermeneutik der Faktizität page 5