Seyn - der merkwürdige Irrglaube, das Seyn müßte immer »sein«, und je ständiger und länger es sei, um so »seiender« sei es.
Aber einmal »ist« das Seyn überhaupt nicht, sondern west.
Und dann ist Seyn das Seltenste weil Einzigste, und niemand erschätzt die wenigen Augenblicke, in denen es eine Stätte sich gründet und west.
Wie kommt es, daß der Mensch so sehr am Seyn sich verschätzt? Weil er dem Seienden ausgesetzt sein muß, um die Wahrheit des Seyns zu erfahren. In dieser Aussetzung ist das Seiende das Wahre, Offene und dieses, weil das Seyn als das Sichverbergende west.
So hält sich der Mensch an das Seiende und macht sich dienstbar dem Seienden und fällt der Seynsvergessenheit anheim, und zwar alles dieses im Anschein, das Eigentliche zu leisten und dem Seyn nahe zu bleiben.
Nur wo das Seyn als das Sichverbergen sich zurückhält, kann das Seiende auftreten und scheinbar alles beherrschen und die einzige Schranke gegen das Nichts darstellen. Und dennoch gründet dieses alles in der Wahrheit des Seyns. Aber dann ist doch die nächste und einzige Folge, das Seyn in der Verborgenheit zu lassen und gar zu vergessen. Doch: Seyn in der Verborgenheit lassen und das Seyn als das Sichverbergende erfahren ist grundverschieden. Die Erfahrung des Seyns, das Ausstehen seiner Wahrheit bringt allerdings das Seiende in seine Schranke zurück und nimmt ihm die scheinbare Einzigkeit seines Vorrangs. Aber so wird es nicht weniger seiend, im Gegenteil, seiender, d. h. wesender in der Wesung des Seyns.
Wieviele (alle) reden jetzt vom »Sein« und meinen nur immer ein Seiendes und vielleicht jenes, das ihnen die Gelegenheit des Ausweichens und der Beruhigung verschafft.
* vgl. Überlegungen V, 17 f., 54, 51 f.