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VIII. Das Seyn

wohnliche nicht als Besonderheit des Auffälligen, sondern als Notwendigkeit des Unscheinbarsten wagen muß, in dem sich der abgründige Grund der Grund-losigkeit der Götter und der Gründerschaft des Menschen sich öffnet und Jenes dem Seyn zugewiesen wird, was die Metaphysik nie wissen konnte, das Da-sein.

Aus der Erinnerung an alte und bis zu ihrem Ende bei Nietzsche üblich gewesene Unterscheidungen (Sein und Werden) möchte man die Bestimmung des Seyns als Ereignis gleichfalls wie eine Deutung des Seins als »Werden« (»Leben«, »Bewegung«) nehmen. Ganz zu schweigen von dem unvermeidlichen Rückfall in die Metaphysik und die Abhängigkeit der Vorstellungen der »Bewegung«, »Leben« und »Werden« vom Sein als Seiendheit, würde eine solche Deutung des Ereignisses von diesem völlig entfernen, da sie über das Ereignis wie einen Gegenstand aussagt, statt diese Wesung selbst und nur sie sprechen zu lassen, damit das Denken ein Denken des Seyns bleibe, das nicht über das Seyn aussagt, sondern es sagt in einem Sagen, das zum Er-sagten gehört und alle Vergegenständlichung und Umfälschung in Zuständliches (oder »Fließendes«) von sich weist, weil sogleich damit die Ebene des Vor-stellens betreten ünd die Ungewöhnlichkeit des Seyns verleugnet wird.

Die volle Wesung des Seyns in der Wahrheit des Ereignisses läßt erkennen, daß das Seyn und nur das Seyn ist und daß das Seiende nicht ist. Mit diesem Wissen vom Seyn erreicht das Denken erst die Spur des anderen Anfangs im Übergang aus der Metaphysik. Für diese gilt: das Seiende ist und das Nicht-Seiende »ist« auch und das Seyn ist das Seiendste Seiende.

Dagegen steht: das Seyn ist einzig, und deshalb »ist« es nie ein Seiendes und am wenigsten das Seiendste. Das Seiende aber ist nicht, und gerade deshalb spricht ihm das seyns vergessene Denken der Seiendheit diese als allgemeinste Eigenschaft zu. Dieser Zuspruch hat im gewöhnlichen Vorstellen sein Recht, und deshalb muß diesem gegenüber gesagt werden: das Seyn west; das Seiende »ist«.

GA 65