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XXVIII. Der seynsgeschichtliche Begriff der Metaphysik

Was wird aus dem Seienden und seiner Seiendheit, wenn solcher Entwurf des Vor-herigen für Ver-nehmung und Erklärung dahinfällt, weil er schon dem Seyn und seiner Wahrheit stets ausgewichen?


123. Un-endlichkeit und Ewigkeit


sind Maß und Ziele der Metaphysik und mit ihnen wird das »Endliche« als vorhandenes Un-fertiges wesentlich. Die seynsgeschichtliche Betonung der »Endlichkeit« meint aber ein Anderes, was gemäßer wohl außerhalb dieses metaphysischen Gegensatzes und seiner Einheit gesagt wird.

Die Betonung der »Endlichkeit« war nur ein ab-wehrender, in der Sprache der Metaphysik gesagter Versuch, das άεί im Sinne der Beständigung der Anwesung zu überwinden, nicht zugunsten einer »Zeitlichkeit« im christlichen Sinne und deshalb auch nicht in der Absicht auf eine überflüssige Abwehr der christlichen »Ewigkeit«.

Die Beständigung der Anwesung ist der metaphysische Seinsbegriff; der Einsprung in die »Endlichkeit« bedeutet ein Begreifen der Wahrheit des Seyns, in der sich das Wesen des Seyns aus seinem abgründigen Grunde lichtet; das »Sein«, das die Metaphysik allein kennt, ist als Beständigkeit der Anwesung nur eine selbst noch ungegründete Herausnahme eines Wesensmomentes des Seins, der Gegenwärtigkeit, die dabei nicht einmal in ihrer Wesung als »Zeitlichkeit« begriffen wird. Wenn das Seyn im ersten Schritt des seynsgeschichtlichen Denkens zur »Zeit« in Bezug gesetzt wird, dann meint das nicht, das »Sein« sei 1. ein »Seiendes« und 2. dieses Seiende sei das »zeitliche« im Sinne des in seiner Dauer begrenzten (endlichen) Veränderlichen. Wenn aber zum Wesen des Seyns das Nichts gehört, dann bedeutet das wiederum nicht, 1. das Sein sei ein »Seiendes« und 2. dieses Seiende sei »nichtig« im Sinne der geschöpflichen Hinfälligkeit.


Martin Heidegger (GA 66) Besinnung

Mindfulness p. 348

GA 66