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Das Denken muß deshalb durch die Seinsverlassenheit hindurch. Aber vordem muß diese erst erfahren werden; und dazu bedarf es wiederum zuvor der Erschütterung der Seinsvergessenheit. Der Anlaß der Erschütterung durch die Lichtung des Ungewöhnlichen. Die Kunde von diesem im Seltsamen.
Das Seltsame als Störung des Gewöhnlichen.
Das Gewöhnliche und das Gewohnte.
Die Gewöhnung.
Das Ungewöhnliche im Sinne des seienden Überraschenden und Ausgefallenen.
Das Ungewöhnliche im Sinne des längst wesenden und keiner Mittel bedürftigen Seyns.
Das seynsgeschichtliche Denken bringt weder Lösungen von Rätseln noch schafft es Beruhigungen in Nöten. Es ist die Inständigkeit im Wesen der Wahrheit. Was mag sonst vom Denken Wesentlicheres gefordert werden?
Das seynsgeschichtliche Denken ist stets anfängliches Denken, es verliert sich nie in irgend eine Art von Historie über den Verlauf von Meinungen und Lehren.
In jedem Sprung ist die Spur der anfänglichen Geschichte ersprungen, die in ihresgleichen und d. h. in den Anfang, den anderen, trägt, der als Anfang des Seyns jetzt der Austrag selbst, die Wesung der Wahrheit des Seyns ist.
Das seynsgeschichtliche Denken fügt sich in das Gestalt-lose, ihm ist kein Anhalt gewährt am »Bild« und am erläuternden Ding - kahl und kühn ist sein Wort.
Denn zu gründen gilt es im Eigentum des Seyns ein ahnendes Geschlecht.
Angestimmt vom Seyn muß das denkende Wort seine Stimme erschweigen.
Das anfängliche Denken fängt nicht nur den Anfang an, es bleibt auch im Anfang und weist nur immer in diesen. Die Gediegenheit dieser Weisung ist Alles, lehrhaftes Auswalzen zu eingänglichen Vorstellungen seine größte Gefahr.
Das seynsgeschichtliche Denken ist das vielspurige Denken;