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1. Was sagt »Anfang«?

Der An-fang ist An-sich-nehmen des Abschieds in den Abgrund. Dies An-sich-nehmen ist die anfängliche Aneignung und daher Er-eignung der Anfängnis.

Der An-fang ist anfänglich und d. h. abgründig das Er-eignis. Im anfänglichen Er-eignis fängt sich der Anfang selbst über seinem Abgrund auf und läßt diesen so allein als den Ab-grund in seine Tiefe stürzen und zu seiner Höhe steigen.

Das anfängliche Er-eignis aber hat sein volles Wesen erst darin, daß es, als Er-eignung austragend, die anfängliche Lichtung lichtet und so die Offenheit er-eignet. Solche Er-eignung ist die Dazwischenkunft der Lichtung als Zeit-Raum. Diese übereignet das Inzwischen (als Inmitten und Unterdessen) an das bis zur jeweiligen erst aus ihr wesenden Frist Nichtslose, was dann als das Seiende ersteht.

Aber dieses aufnehmende und bewahrende Gründen west nur so, daß der Grund selbst nicht mehr Grund ist und wesenhaft sich vom Grundhaften und stets abkehrt und sonach Ab-grund bleibt. Die Verbergung, darin die Entbergung west, ist Entgängnis in den Ab-grund.

Das An-fangen fängt den Anfang je anfänglicher an.

Diese »Steigerung« ist keine nach der Art des Seienden nach Graden und Stufen und Folgen. Sie ist anfanghaft und deshalb immer einzig; unstetig; ein Anfangen klafft gegen das andere.

Im Ereigniswest das Sich-auf-fangen in die Klüftung des Abgrundes.

Das Seyn als Anfang und Ereignis hat einzig jenes Wesen, das erlaubt zu sagen: »das Seyn ist«. Alles Seiende ersteht nur in das Sein; das Seiende ist nie; sondern »ist« stets nur das Seiende.

Das Seiende ist nicht, sofern es beim »ist« sein Bewenden und d. h. hier den Anfang haben soll. Das Seiende ist nur als das Seiende; und das sagt: das Seiende gelangt zu Zeiten in das Sein, aber. ist es nicht selbst.

Das Seiende bleibt so entschieden gegen das Seyn durch dieses von diesem unterschieden, daß dem Seienden nicht einmal eigen bleibt das Nichts; denn nur das Seyn hat die Wesung des Nichts.


Martin Heidegger (GA 70) Über den Anfang

GA 70