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»Andenken« und »Mnemosyne«

vielmehr ist der Ab-schied erst und nur die stiftende Rücklegung alles Verstörten des Gewohnten und Vernutzten in die stille Pracht der unerfindlichen Seinszugehörigkeit.

Einmal, und hier doch auch noch verschwiegen, bricht spät, d.h. früh im ersten Übersprung in das Da-sein, der Dichter das Schweigen, sagt den Abschied in die Irre des Da, das zu sein nur dem »himmlischen Gespräch« beschieden:


Der Frühling kömmt. Und jedes, in seiner Art,

Blüht. Der ist aber ferne; nicht mehr dabei.

Irr gieng er nun; denn allzugut sind

Genien; himmlisch Gespräch ist sein[s] nun.

»Ganymed«, Schlußstrophe. IV, 69.


Von Hölderlin, nicht »über« ihn, ein Wort sagen, heißt zuvor das Wissen verlangen, daß er nicht als Zuflucht verschwommener Sehnsüchte und nicht als Bestätigung müder »Stimmungen« genommen werden darf, auch nicht als »vaterländischer« Sänger, auch nicht als »religiöser« »Erlebnis«künder.

Von Hölderlin sagen, heißt wissen, daß sein Dichten so ganz wissend, fragend, nüchtern war, daß die geläufigen Wissensansprüche sogar wesentlich vor dieser Dichtung abfallen, wenn sie überhaupt sich geltend machen und nicht einem dumpfen »Erleben« als der angemessenen Zugangsform das Feld räumen. Hölderlins Grundstimmung ist — dem rechtverstandenen Wesen der »Stimmung« gemäß — ein Wissen von einem Bereich der Entscheidung zwischen der Gottverlassenheit des Seienden, d. h. seiner wesenhaften Unkraft, einen anfänglichen Gott zu ergründen, und der Gründung einer Gottschaft der Götter, - das Wissen von der Nähe einer wesenhaften und d.h. geschichtlichen Gott-losigkeit des Geschichtswesens, welchem Wissen nur die zuhöchst Fragenden und fragend auf Eines Gesammelten nahen dürfen.

Nicht weil Hölderlin »nur« ein Dichter war und nach der gewöhnlichen Vorstellung vom Dichter das Zu-sagende »nur« im »Gefühl« »unklar« hin und her bewegte, wurde er von den Denkern


Martin Heidegger (GA 75) Zu Hölderlin - Griechenlandreisen

GA 75