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Aufsätze und Dialog

zugeben, daß das Wort »geschicklich« eine erst von uns gebrauchte sprachliche Wendung ist, während Hölderlin nur den Ausdruck »schiklich« kennt, hinsichtlich dessen aber noch gezeigt werden muß, ob er das meint, was wir durch »geschicklich« mit angeblich größerer Deutlichkeit ausdrücken. Daß allerdings das Gedicht »Blödigkeit«, das den Gesang in seinem geschicklichen Wesen singt, in seiner Schlußstrophe vom »schiklichen« sagt, begünstigt die Möglichkeit, das Schickliche vom Geschick her als das Geschickliche zu denken.

D. J. Der Gesang ist das Geschick, er ist schickend, insofern er die Himmlischen der Einkehr bei den Menschen zuführt; denn so läßt der Gesang den Himmlischen selbst erst ihr Wesen nahegehen. Das bei den Menschen einkehrende Anwesen im Haus der Erde ist das den Himmlischen Geschickte.

D.Ä. Der Gesang ist aber das Geschick, er ist schickend auch und das heißt hier zugleich, insofern er den Menschen zeigt, wo sie wohnen; denn so läßt der Gesang den Menschen selbst erst ihr Wesen nahegehen, gesetzt sie sind die Wohnenden auf der Erde dergestalt, daß sie und die einkehrenden Himmlischen beieinander wohnen.

D. J. Und also beieinander wohnend das Brautfest feiern, zu des- sen Zeit das Schicksal ausgeglichen ist eine Weile.

D.Ä. Was doch nur heißen kann, daß das Geschick selbst in seinem reinen Wesen geschicklich ist, weil es im Schicksal beruht, worin die Menschen und die Götter stehen. Das Ge- schickliche dürfen wir dann als dasjenige denken, was zu dem im Schicksal beruhenden Geschick gehört. Entsprechend der Art und dem Umkreis des Gehörens ist das Geschickliche selbst vielfältig und das Wort demzufolge vieldeutig. Geschicklich ist das, was zum Geschick gehört, es ausmacht, es trägt, ihm vordenkt und ihm gemäß ist.

D. J. Weil nun aber das Schicksal selbst ausgeglichen und reinen Wesens ist im Fest, ist das Geschickliche und d.h. das Schickliche nichts anderes als das Festliche.


Martin Heidegger (GA 75) Zu Hölderlin - Griechenlandreisen

GA 75