DIE WIRRNIS



Wirr, ineinanderverflochten, durcheinandergewirbelt, in einen Wirbel gebannt sind die Meinungen, die Glaubensformen, die Wissensarten und die Denkweisen der Menschen. Meinen, Glauben, Wissen, Denken sind — weit genug gefaßt — Weisen des Vorstellens. Die Verwirrung der Vorstellungsweisen überzieht die Erde. Die geheime Gewalt der Verwirrung läßt sich kaum ermessen. Dies deutet darauf, daß die Verwirrung einer Wirrnis entstammt, deren Walten sich niemals durch die bestehende Verwirrung erklären läßt. Die Verwirrung der Vorstellungsweisen betrifft weniger das Was des Vorgestellten als das Wie alles Vorstellens und, demgemäß das Wie alles Vorgehens, Betreibens und Darstellens. Der Vorrang des Wie bedeutet die Vormacht der Methode des Vorgehens gegenüber den Gegenständen, die im Vorgehen angegangen werden und zum voraus in seinen Machtbereich einbezogen sind. Die Vormacht der Methode hat dem wissenschaftlichen Vorstellen eine besondere Herrschaft gesichert. Woher kommt der Vorrang des Wie in den Weisen des Vorstellens? Worin beruht die Vorherrschaft der wissenschaftlichen Vorstellungsweise? Ein Versuch, diese Fragen zu beantworten, müßte in die Wesensherkunft der abendländisch-europäischen Wissenschaft zurückfragen. Von dort aus läßt sich ermessen, ob und inwiefern der Vorrang der Methode der Wissenschaften die planetarische Verwirrung aller Vorstellungsweisen mit sich gebracht hat. Zunächst aber ist eine andere Frage drängender. (Die planetarische Verwirrung liegt außerhalb der Reichweite von Anschuldigungen, wenngleich der Mensch an der Herkunft der Verwirrung beteiligt bleibt.)

Wie soll denn noch eine Verwirrung der Vorstellungsweisen bestehen können, wenn mehr und mehr eine einzige Weise des Vorstellens ihre Herrschaft einrichtet? Bringt diese nicht eher


Martin Heidegger (GA 76) Leitgedanken zur Entstehung der Metaphysik

GA 76