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Einblick in das was ist

ratlose Erschrecken vor dem vermeintlich Dämonischen der Technik und ihren vermeintlich tragischen Folgen ist in Wahrheit die Angst vor dem Denken, das bedenkt, was ist, welches Denken außerhalb der Kunststücke und des Scharfsinns des Intellekts, aber auch außerhalb der Sentimentalität, nüchtern seine Pfade in das zu Denkende sucht. DieTechnik ist in ihrem Wesen weder ein Mittel für einen Zweck, noch ist sie selber ein Zweck. Ihr Wesen waltet außerhalb des Bereiches von Zweck und Mittel, welcher Bereich durch das ursächliche Wirken bestimmt wird und so sich als der Bereich des Wirklichen umgrenzt. Die Technik ist in ihrem Wesen überhaupt kein Wirkliches neben anderem Wirklichen. Sie ist der verborgene Grundzug der Wirklichkeit alles jetzt Wirklichen. Der Grundzug der Wirklichkeit ist die Anwesenheit. Das Anwesen gehört in das Wesen des Seins selbst. Das Wesen der Technik ist das Seyn selber in der Wesensgestalt des Ge-Stells. Das Wesen des Ge-Stells aber ist die Gefahr. Doch bedenken wir klar: Das Ge-Stell ist nicht deshalb die Gefahr, weil es das Wesen der Technik ist und weil von der Technik bedrohliche und gefährliche Wirkungen ausgehen können. Die Gefahr ist das Ge-Stell nicht als Technik, sondern als das Seyn. Das Wesende der Gefahr ist das Seyn selbst, insofern es der Wahrheit seines Wesens mit der Vergessenheit dieses Wesens nachstellt. Weil das Wesen der Technik nichts Geringeres ist als das Seyn selbst, deshalb wird das Wesen der Technik mit dem befremdlichen Namen »das Ge-Stell« benannt.

Nachdem wir in einigen Zügen die Sache, das Wesen der Technik als das Sein des jetzt Seienden, bedacht haben, darf auch über den Namen für dieses Wesen der Technik, über das Wort »Ge-Stell« in der Kürze einiges gesagt werden.

Das Wort »stellen« entspricht dem griechischen θέσις, vorausgesetzt daß wir θέσις griechisch denken. Was heißt in diesem Falle »griechisch denken«? Es heißt: darauf achten, welche Lichtung des Wesens des Seyns in welcher Weise das Dasein der alten Griechen in den Anspruch genommen hat; heißt, im voraus


Martin Heidegger (GA 79) Bremer und Freiburger Vorträge

GA 79