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Die Unumgänglichkeit des Da-seins

15. Die Not


nie wesentlicher und nie schärfer, nie weniger nötigend, nie fremder eine Notwendigkeit, nie dringlicher das Wissen!

Die entschiedene, aber als solche verborgene Unumgänglichkeit des Da-seins – der vorläufige Ausschluß aus dem Da-sein – in der Ausgeschlossenheit es erst erfahren.

Unvergleichlich [?] und daher andere Bahnen und Wege; nur eines! das Wissen – lange Besinnung!

Weil die höchste Not im Charakter der Notlosigkeit, deshalb wird sie auch aufs höchste gesteigert dadurch, daß sie als solche gar nicht erfahren wird, weil nicht da zu sein scheint. Nicht nur alles in Ordnung, sondern es wird ja für alles gesorgt – Kulturbetrieb.



16. Die Frage nach der Kunst


(steht im Absehen auf den zweiten Anfang – Überwindung der Seinsvergessenheit und Wahrheitszerstörung und Wahrheitsvernutzung)

Kunst als Ur-sprung – ein wesentliches Schaffen – geschichtsdeutig.

Und wenn es in unseren Tagen eine große Kunst gäbe (was heißt »gäbe«?), was würden wir tun? Würden wir sie erkennen? Sind wir dazu imstande? Die Kenner? Die Weltanschauer?! Aber die große Kunst müßte uns dahin zwingen! Nur so wäre sie groß? Nein, denn ihr Werk ist nie Verursachung von unmittelbarer Wirkung!

Nicht nur Mangel des Verständnisses, sondern Da-sein. Nichts gewonnen, wenn viele es verstünden: denn was hieße das? Groß nicht durch die Masse des Beifalls. Verwandlung? Daher die Bahnen – daher die Not? Notlosigkeit als verhüllteste Not!

Verwandlung der Schaffenden, Verwandlung des Bewahrens, Verwandlung der Umsetzung.


Martin Heidegger (GA 82) Zu eigenen Veröffentlichungen

GA 82