stellten: »Jede Seele ist todlos.« (245 c 5) Für ihn wird sogleich der Beweis erbracht, in welchem so geschlossen wird: Das sich selbst Bewegende ist todlos; die Seele ist ein sich selbst Bewegendes; also ist die Seele todlos. Das sagt zunächst, sie hat kein Ende des Lebens. Der Beweis geht aus von der Selbstbewegung. Sie ist das Grundphänomen des Lebens überhaupt. Die Selbstbewegung ist bei jeder empirischen Erkenntnis eines Lebendigen als solchen schon, als allem Lebendigen zukommend, vorausgesetzt.
Die klassische Abhandlung über die Bewegung findet sich in der »Physik« des Aristoteles. Er sagt dort: ή τοῦ δυνάμει ὄντος ἐντελέχεια, ᾗ τοιοῦτον, κίνησίς ἐστιν.44 Die Bewegung, als das Sein des Beweglichen, ist immer im voraus gegeben, wenn ein Bewegtes als solches erkannt wird. (Soweit sich dieser Satz auf das Zitat aus der »Physik« bezieht, wurde seine Auslegung in Frage gestellt.) Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, daß das ursprünglichste Phänomen im Bezirk der Bewegung die Selbstbewegung sei, und daß von ihr alle mechanische Bewegung als ein Grenzfall abgeleitet werde.
Dem Wesen der Seele ist der Tod fremd. Sie gehört nicht zu dem, bei welchem von einem Anfangen und Ins-Ende-Kommen der Bewegung gesprochen werden darf. Der Tod trifft das sterbliche Lebewesen, ψυχή καὶ σῶμα παγέν (246 c 5), dessen Ende er ist. Die Griechen nennen ihn daher auch τελευτή, ein Wort, das mit τέλος gleichen Stammes und von ähnlicher Bedeutung ist. Τέλος ist kategorial πέρας, der »Grenze«, zugeordnet, welche dem Seienden den Umriß und das Wesen verleiht. Es besteht hier die Schwierigkeit, daß die Seele, welcher in ausgezeichneter Weise Sein zukommen soll, das Ende abgesprochen wird.
Im »Phaidon« nennt Plato den Tod eine απαλλαγή;45 ψυχή und
σῶμα scheiden sich voneinander. Die dort entwickelte Auffassung
des Todes ist für die Auslegung des »Phaidros« gegenwärtig zu
halten. So wird die Zweideutigkeit des Verbums verständlich. Im
44 Phys. 201 a 10 sq.
45 Phaid. 107 c 6.