19. »Wahrheit« (Eine Probe)
Erörterung der viel verhandelten Frage: Gibt es eine objektive Wahrheit? Diese Frage wird oft gestellt und leidenschaftlich wird bei ihrer Beantwortung gestritten: ja und nein und Zweifel. Die Frage selbst wird aber gar nicht durchdacht, sofern nicht erörtert wird, was »objektive Wahrheit« besagt Wir sagen:
1. Was heißt in dieser Frage »Wahrheit«?
2. Was heißt da »objektiv«?
3. Was heißt: »es gibt«?
Zu 1. (a) Heißt Wahrheit soviel wie Richtigkeit des Vorstellens, dann ist »das Wahre« (Wahrheit) das richtig Vor-gestellte, d. h. das dem Vor-gestellten (Vor-Vor-Gestellten) Entsprechende, das Gegenständliche, Gegenstehende selbst. Das Objektive, und die Frage lautet dann: Gibt es ein objektives Objektives? (Gibt es einen aus Wasser bestehenden Fluß?) Also gibt es Objektivität? Offenbar; wo und wie? Allgemeingültigkeit. (Aber wie steht es mit der »Objektivität« selbst und als solcher?)
(b) Heißt Wahrheit soviel wie Unverborgenheit des Seienden, dann ist das Wahre das Unverborgene; dieses aber braucht gerade nicht vor-gestellt zu sein und ist durch das Vor-sich-bringen nicht ohne weiteres zu erreichen. Der Mensch kann am Unverborgenen vorbei gehen, kann sich ihm entziehen, kann sich dagegen abschirmen. Das Unverborgene ist weder objektiv noch subjektiv. Die Rede von »objektiver Wahrheit« hat gar keinen Sinn. Also: Entweder ist die Rede von objektiver Wahrheit eine Tautologie oder überhaupt gehaltlos.
Zu 2. Durch das Vorige ist schon Einiges über das Wesen des »Objektiven« und der Objektivität gesagt. Das »Objektive« nennt man gern das vom Subjekt Unabhängige! Aber das Objektive ist nicht nur nicht unabhängig vom Subjekt, sondern es ist das, was allein und eigentlich vom Subjekt abhängt: das Vor-gestellte-Entgegen gestellte eines Vor-stellens. Alle »objektive Wahrheit« ist ihrem Wesen nach relativ auf das »Subjekt« (auf den Menschen). Doch die Frage bleibt: Ist der Mensch »Subjekt«? Erfüllt sich das