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Überlegungen VI

mehr erinnerbaren Gründung eines Wesens der Wahrheit. Nicht einmal das Nichts vermöchte als bloßes Nichts die Verzweiflung in sich hineinzureißen, wenn nicht die Wahrheit wäre.

Der Ursprung des Erdenkens des Wesens der Wahrheit ist immer unmerklich; er läßt sich nicht verzeichnen — ihm ist die unmittelbare Verkündigung versagt und notwendig versagt und deshalb steht alles Denken, je wesentlicher sein Gedachtes ist, im Schein der völligen Unwirksamkeit. Die Gefahr droht dem Denken nicht von außen, sondern durch es selbst ist es bedroht, durch das Versagen der ihm nötigen Selbstsicherheit im Verzicht auf das Unmittelbare.

Dem Wesen des Seyns und dem Erdenken seiner Wahrheit widerstrebt es, in seiner Wesentlichkeit von Vielen gewußt zu werden und ein Sagbares zu werden. Das Versagen der Selbstsicherheit kommt jedoch immer daher, daß das Denken nicht weit genug vor-springt, zu wenig das Befremdliche wagt und zu früh auf die Verständlichkeit sich einläßt.


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Wir brauchen einen neuen Gott! Nein! Und >nein< nicht deshalb, weil der alte Gott noch genügte, noch ein Gott sein könnte — sondern weil der Gott überhaupt nicht der von uns gebrauchte ist. Der andere Gott braucht uns. Das ist nicht die einfache Umdrehung des vorigen Verhältnisses — sondern das Anzeichen eines völlig Befremdlichen, einer Götterung, für deren Gefügebereich die gewesenen Götter — die »antiken« und der christliche nichts helfen, zumal wenn wir sie für sich in einer gewohnten Auslegung nehmen.

Wir sind — die Künftigen müssen sein — die Gebrauchten — jene, die gründend offen und instand und in der Entfaltung halten das Seyn in der Wahrheit seines Wesens — das Seyn, das sich entbirgt als das Er-eignis des Da-seins, wodurch dieses dann geeignet wird, dessen Wahrheit (das Da) es selbst gründet. Der Gott braucht