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ist in einer Zeitauslegung, wie sie sich im traditionellen Zeitbegriff niedergeschlagen hat, der sich seit Aristoteles bis über Bergson hinaus durchhält. Dabei ist deutlich zu machen, daß und wie dieser Zeitbegriff und das vulgäre Zeitverständnis überhaupt aus der Zeitlichkeit entspringen. Damit wird dem vulgären Zeitbegriff sein eigenständiges Recht zurückgegeben – entgegen der These Bergsons, die mit ihm gemeinte Zeit sei der Raum.

Die »Zeit« fungiert seit langem als ontologisches oder vielmehr ontisches Kriterium der naiven Unterscheidung der verschiedenen Regionen des Seienden. Man grenzt ein »zeitlich« Seiendes (die Vorgänge der Natur und die Geschehnisse der Geschichte) ab gegen »unzeitlich« Seiendes (die räumlichen und zahlhaften Verhältnisse). Man pflegt »zeitlosen« Sinn von Sätzen abzuheben gegen »zeitlichen« Ablauf der Satzaussagen. Ferner findet man eine »Kluft« zwischen dem »zeitlich« Seienden und dem »überzeitlichen« Ewigen und versucht sich an deren Überbrückung. »Zeitlich« besagt hier jeweils soviel wie »in der Zeit« seiend, eine Bestimmung, die freilich auch noch dunkel genug ist. Das Faktum besteht: Zeit, im Sinne von »in der Zeit sein«, fungiert als Kriterium der Scheidung von Seinsregionen. Wie die Zeit zu dieser ausgezeichneten ontologischen Funktion kommt und gar mit welchem Recht gerade so etwas wie Zeit als solches Kriterium fungiert und vollends, ob in dieser naiv ontologischen Verwendung der Zeit ihre eigentliche mögliche ontologische Relevanz zum Ausdruck kommt, ist bislang weder gefragt, noch untersucht worden. Die »Zeit« ist, und zwar im Horizont des vulgären Zeitverständnisses, gleichsam »von selbst« in diese »selbstverständliche« ontologische Funktion geraten und hat sich bis heute darin gehalten.

Demgegenüber ist auf dem Boden der ausgearbeiteten Frage nach dem Sinn von Sein zu zeigen, daß und wie im rechtgesehenen und rechtexplizierten Phänomen der Zeit die zentrale Problematik aller Ontologie verwurzelt ist.

Wenn Sein aus der Zeit begriffen werden soll und die verschiedenen Modi und Derivate von Sein in ihren Modifikationen und Derivationen in der Tat aus dem Hinblick auf Zeit verständlich werden, dann ist damit das Sein selbst – nicht etwa nur Seiendes als »in der Zeit« Seiendes, in seinem »zeitlichen« Charakter sichtbar gemacht. »Zeitlich« kann aber dann nicht mehr nur besagen »in der Zeit seiend«. Auch das »Unzeitliche« und »Überzeitliche« ist hinsichtlich seines Seins »zeitlich«. Und das wiederum nicht nur in der Weise einer Privation gegen ein »Zeitliches« als »in der Zeit« Seiendes, sondern in einem


Martin Heidegger - Sein Und Zeit