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den: ein anderes ist es, über Seiendes erzählend zu berichten, ein anderes, Seiendes in seinem Sein zu fassen. Für die letztgenannte Aufgabe fehlen nicht nur meist die Worte, sondern vor allem die »Grammatik«. Wenn ein Hinweis auf frühere und in ihrem Niveau unvergleichliche seinsanalytische Forschungen erlaubt ist, dann vergleiche man ontologische Abschnitte in Platons »Parmenides« oder das vierte Kapitel des siebenten Buches der »Metaphysik« des Aristoteles mit einem erzählenden Abschnitt aus Thukydides, und man wird das Unerhörte der Formulierungen sehen, die den Griechen von ihren Philosophen zugemutet wurden. Und wo die Kräfte wesentlich geringer und überdies das zu erschließende Seinsgebiet ontologisch weit schwieriger ist als das den Griechen vorgegebene, wird sich die Umständlichkeit der Begriffsbildung und die Härte des Ausdrucks steigern.

§ 8. Der Aufriß der Abhandlung

Die Frage nach dem Sinn des Seins ist die universalste und leerste; in ihr liegt aber zugleich die Möglichkeit ihrer eigenen schärfsten Vereinzelung auf das jeweilige Dasein. Die Gewinnung des Grundbegriffes »Sein« und die Vorzeichnung der von ihm geforderten ontologischen Begrifflichkeit und ihrer notwendigen Abwandlungen bedürfen eines konkreten Leitfadens. Der Universalität des Begriffes von Sein widerstreitet nicht die »Spezialität« der Untersuchung – d. h. das Vordringen zu ihm auf dem Wege einer speziellen Interpretation eines bestimmten Seienden, des Daseins, darin der Horizont für Verständnis und mögliche Auslegung von Sein gewonnen werden soll. Dieses Seiende selbst aber ist in sich »geschichtlich«, so daß die eigenste ontologische Durchleuchtung dieses Seienden notwendig zu einer »historischen« Interpretation wird.

Die Ausarbeitung der Seinsfrage gabelt sich so in zwei Aufgaben; ihnen entspricht die Gliederung der Abhandlung in zwei Teile:

Erster Teil: Die Interpretation des Daseins auf die Zeitlichkeit und die Explikation der Zeit als des transzendentalen Horizontes der Frage nach dem Sein.

Zweiter Teil: Grundzüge einer phänomenologischen Destruktion der Geschichte der Ontologie am Leitfaden der Problematik der Temporalität.

Der erste Teil zerfällt in drei Abschnitte: 1. Die vorbereitende Fundamentalanalyse des Daseins. 2. Dasein und Zeitlichkeit. 3. Zeit und Sein.


Martin Heidegger - Sein und Zeit