141

nahen steigert sich dieses »es kann und am Ende doch nicht«. Es ist furchtbar, sagen wir. 6. Darin liegt: das Abträgliche als Nahendes in der Nähe trägt die enthüllte Möglichkeit des Ausbleibens und Vorbeigehens bei sich, was das Fürchten nicht mindert und auslöscht, sondern ausbildet.

Das Fürchten selbst ist das sich-angehen-lassende Freigeben des so charakterisierten Bedrohlichen. Nicht wird etwa zunächst ein zukünftiges Übel (malum futurum) festgestellt und dann gefürchtet. Aber auch das Fürchten konstatiert nicht erst das Herannahende, sondern entdeckt es zuvor in seiner Furchtbarkeit. Und fürchtend kann dann die Furcht sich, ausdrücklich hinsehend, das Furchtbare »klar machen«. Die Umsicht sieht das Furchtbare, weil sie in der Befindlichkeit der Furcht ist. Das Fürchten als schlummernde Möglichkeit des befindlichen In-der-Welt-seins, die »Furchtsamkeit«, hat die Welt schon darauf hin erschlossen, daß aus ihr so etwas wie Furchtbares nahen kann. Das Nahenkönnen selbst ist freigegeben durch die wesenhafte existenziale Räumlichkeit des In-der-Welt-seins.

Das Worum die Furcht fürchtet, ist das sich fürchtende Seiende selbst, das Dasein. Nur Seiendes, dem es in seinem Sein um dieses selbst geht, kann sich fürchten. Das Fürchten erschließt dieses Seiende in seiner Gefährdung, in der Überlassenheit an es selbst. Die Furcht enthüllt immer, wenn auch in wechselnder Ausdrücklichkeit, das Dasein im Sein seines Da. Wenn wir um Haus und Hof fürchten, dann liegt hierin keine Gegeninstanz für die obige Bestimmung des Worum der Furcht. Denn das Dasein ist als Inder-Welt-sein je besorgendes Sein bei. Zumeist und zunächst ist das Dasein aus dem her, was es besorgt. Dessen Gefährdung ist Bedrohung des Seins bei. Die Furcht erschließt das Dasein vorwiegend in privativer Weise. Sie verwirrt und macht »kopflos«. Die Furcht verschließt zugleich das gefährdete InSein, indem sie es sehen läßt, so daß das Dasein, wenn die Furcht gewichen, sich erst wieder zurechtfinden muß.

Das Fürchten um als Sichfürchten vor erschließt immer – ob privativ oder positiv – gleichursprünglich das innerweltliche Seiende in seiner Bedrohlichkeit und das In-Sein hinsichtlich seiner Bedrohtheit. Furcht ist ein Modus der Befindlichkeit.

Das Fürchten um kann aber auch andere betreffen, und wir sprechen dann von einem Fürchten für sie. Dieses Fürchten für... nimmt dem Anderen nicht die Furcht ab. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Andere, für den wir fürchten, seinerseits sich gar nicht zu fürchten braucht. Wir fürchten für den Anderen gerade dann am meisten, wenn er sich nicht fürchtet und tollkühn dem Drohenden


Martin Heidegger - Sein und Zeit