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        kenntlich gemacht haben? Wie verhält sich zu ihr die dem Ausgelegten 
        als solchen eignende Struktur des »Als«? Dieses Phänomen 
        ist offenbar nicht »in Stücke« aufzulösen. Schließt das aber 
        eine ursprüngliche Analytik aus? Sollen wir dergleichen Phänomene 
        als »Letztheiten« hinnehmen? Dann bliebe noch die Frage, 
        warum? Oder zeigen die Vor-Struktur des Verstehens und die 
        Als-Struktur der Auslegung einen existenzial-ontologischen 
        Zusammenhang mit dem Phänomen des Entwurfs? Und weist 
        dieses in eine ursprüngliche Seinsverfassung des Daseins zurück?
        Vor der Beantwortung dieser Fragen, dafür die bisherige 
        Zurüstung längst nicht ausreicht, muß untersucht werden, ob das 
        als Vor-Struktur des Verstehens und qua Als-Struktur der Auslegung 
        Sichtbare nicht schon selbst ein einheitliches Phänomen 
        darstellt, davon zwar in der philosophischen Problematik ausgiebig 
        Gebrauch gemacht wird, ohne daß dem so universal 
        Gebrauchten die Ursprünglichkeit der ontologischen Explikation 
        entsprechen will.
        Im Entwerfen des Verstehens ist Seiendes in seiner Möglichkeit 
        erschlossen. Der Möglichkeitscharakter entspricht jeweils der 
        Seinsart des verstandenen Seienden. Das innerweltlich Seiende 
        überhaupt ist auf Welt hin entworfen, das heißt auf ein Ganzes 
        von Bedeutsamkeit, in deren Verweisungsbezügen das Besorgen 
        als In-der-Welt-sein sich im vorhinein festgemacht hat. Wenn 
        innerweltliches Seiendes mit dem Sein des Daseins entdeckt, das 
        heißt zu Verständnis gekommen ist, sagen wir, es hat Sinn. Verstanden 
        aber ist, streng genommen, nicht der Sinn, sondern das 
        Seiende, bzw. das Sein. Sinn ist das, worin sich Verständlichkeit 
        von etwas hält. Was im verstehenden Erschließen artikulierbar 
        ist, nennen wir Sinn. Der Begriff des Sinnes umfaßt das formale 
        Gerüst dessen, was notwendig zu dem gehört, was verstehende 
        Auslegung artikuliert. Sinn ist das durch Vorhabe, Vorsicht und 
        Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs, aus dem her 
        etwas als etwas verständlich wird. Sofern Verstehen und Auslegung 
        die existenziale Verfassung des Seins des Da ausmachen, 
        muß Sinn als das formal-existenziale Gerüst der dem Verstehen 
        zugehörigen Erschlossenheit begriffen werden. Sinn ist ein Existenzial 
        des Daseins, nicht eine Eigenschaft, die am Seienden haftet, 
        »hinter« ihm liegt oder als »Zwischenreich« irgendwo 
        schwebt. Sinn »hat« nur das Dasein, sofern die Erschlossenheit 
        des In-der-Welt-seins durch das in ihr entdeckbare Seiende 
        »erfüllbar« ist. Nur Dasein kann daher sinnvoll oder sinnlos sein. 
        Das besagt: sein eigenes Sein und das mit diesem erschlossene 
        Seiende kann im Verständnis zugeeignet sein oder dem Unverständnis 
        versagt bleiben. 

Martin Heidegger - Sein und Zeit