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        durchschnittliche Alltäglichkeit des Daseins bringt.1 Die Angst
        dagegen holt das Dasein aus seinem verfallenden Aufgehen in der
        »Welt« zurück. Die alltägliche Vertrautheit bricht in sich
        zusammen. Das Dasein ist vereinzelt, das jedoch als In-der-Welt-sein.
        Das In-sein kommt in den existenzialen »Modus« des Unzuhause.
        Nichts anderes meint die Rede von der »Unheimlichkeit
        «.
        Nunmehr wird phänomenal sichtbar, wovor das Verfallen als
        Flucht flieht. Nicht vor innerweltlichem Seienden, sondern gerade
        zu diesem als dem Seienden, dabei das Besorgen, verloren in das
        Man, in beruhigter Vertrautheit sich aufhalten kann. Die verfallende
        Flucht in das Zuhause der Öffentlichkeit ist Flucht vor dem
        Unzuhause, das heißt der Unheimlichkeit, die im Dasein als
        geworfenen, ihm selbst in seinem Sein überantworteten In-der-
        Welt-sein liegt. Diese Unheimlichkeit setzt dem Dasein ständig
        nach und bedroht, wenngleich unausdrücklich, seine alltägliche
        Verlorenheit in das Man. Diese Bedrohung kann faktisch
        zusammengehen mit einer völligen Sicherheit und Unbedürftigkeit
        des alltäglichen Besorgens. Die Angst kann in den harmlosesten
        Situationen aufsteigen. Es bedarf auch nicht der Dunkelheit,
        in der es einem gemeinhin leichter unheimlich wird. Im Dunkeln
        ist in einer betonten Weise »nichts« zu sehen, obzwar gerade die
        Welt noch und aufdringlicher »da« ist.
        Wenn wir existenzial-ontologisch die Unheimlichkeit des Daseins
        als die Bedrohung interpretieren, die das Dasein selbst von
        ihm selbst her trifft, dann wird damit nicht behauptet, die Unheimlichkeit
        sei in der faktischen Angst auch immer schon in
        diesem Sinne verstanden. Die alltägliche Art, in der das Dasein
        die Unheimlichkeit versteht, ist die verfallende, das Un-zuhause
        »abblendende« Abkehr. Die Alltäglichkeit dieses Fliehens zeigt
        jedoch phänomenal: zur wesenhaften Daseinsverfassung des Inder-
        Welt-seins, die als existenziale nie vorhanden, sondern selbst
        immer in einem Modus des faktischen Daseins, das heißt einer
        Befindlichkeit ist, gehört die Angst als Grundbefindlichkeit. Das
        beruhigt-vertraute In-der-Welt-sein ist ein Modus der Unheimlichkeit
        des Daseins, nicht umgekehrt. Das Un-zuhause muß
        existenzial-ontologisch als das ursprünglichere Phänomen begriffen
        werden.
        Und nur weil die Angst latent das In-der-Welt-sein immer
        schon bestimmt, kann dieses als besorgend-befindliches Sein bei
        der »Welt« sich fürchten. Furcht ist an die »Welt« verfallene,
        uneigentliche und ihr selbst als solche verborgene Angst.

1 Vgl. § 27, S. 126 ff.

Martin Heidegger - Sein Und Zeit