vorontologische Wesensbestimmung des Menschen hat sonach im vorhinein die Seinsart in den Blick genommen, die seinen zeitlichen Wandel in der Welt durchherrscht.
Die Bedeutungsgeschichte des ontischen Begriffes »cura« läßt sogar noch weitere Grundstrukturen des Daseins durckblicken. Burdach1 macht auf einen Doppelsinn des Terminus »cura« aufmerksam, wonach er nicht nur »ängstliche Bemühung« bedeutet, sondern auch »Sorgfalt«, »Hingabe«. So schreibt Seneca in seinem letzten Brief (ep. 124): »Unter den vier existierenden Naturen (Baum, Tier, Mensch, Gott) unterscheiden sich die beiden letzten, die allein mit Vernunft begabt sind, dadurch, daß Gott unsterblich, der Mensch sterblich ist. Bei ihnen nun vollendet das Gute des Einen, nämlich Gottes, seine Natur, bei dem andern, dem Menschen, die Sorge (cura): unius bonum natura perficit, dei scilicet, alterius cura, hominis.«
Die perfectio des Menschen, das Werden zu dem, was er in seinem Freisein für seine eigensten Möglichkeiten (dem Entwurf) sein kann, ist eine »Leistung« der »Sorge«. Gleichursprünglich bestimmt sie aber die Grundart dieses Seienden, gemäß der es an die besorgte Welt ausgeliefert ist (Geworfenheit). Der »Doppelsinn« von »cura« meint eine Grundverfassung in ihrer wesenhaft zweifachen Struktur des geworfenen Entwurfs.
Die existenzial-ontologische Interpretation ist der ontischen Auslegung gegenüber nicht etwa nur eine theoretisch-ontische Verallgemeinerung. Das würde lediglich besagen: ontisch sind alle Verhaltungen des Menschen »sorgenvoll« und geführt durch eine »Hingabe« an etwas. Die »Verallgemeinerung« ist eine apriorisch-ontologische. Sie meint nicht ständig auftretende ontische Eigenschaften, sondern eine je schon zugrunde liegende Seinsverfassung. Diese macht erst ontologisch möglich, daß dieses Seiende ontisch als cura angesprochen werden kann. Die existenziale Bedingung der Möglichkeit von »Lebenssorge« und »Hingabe« muß in einem ursprünglichen, das heißt ontologischen Sinne als Sorge begriffen werden.
Die transzendentale »Allgemeinheit« des Phänomens der Sorge und aller fundamentalen Existenzialien hat andererseits jene Weite, durch
1 a. a. O. S. 49. Schon in der Stoa war μέριμνα ein fester Terminus und kehrt im N. T. wieder, in der Vulgata als sollicitudo. – Die in der vorstehenden existenzialen Analytik des Daseins befolgte Blickrichtung auf die »Sorge« erwuchs dem Verf. im Zusammenhang der Versuche einer Interpretation der augustinischen – das heißt griechisch-christlichen – Anthropologie mit Rücksicht auf die grundsätzlichen Fundamente, die in der Ontologie des Aristoteles erreicht wurden.