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halb ist »unabhängiges« Seiendes als innerweltlich Begegnendes umsichtig zugänglich.

Besagt der Titel Idealismus soviel wie Verständnis dessen, daß Sein nie durch Seiendes erklärbar, sondern für jedes Seiende je schon das »Transzendentale« ist, dann liegt im Idealismus die einzige und rechte Möglichkeit philosophischer Problematik. Dann war Aristoteles nicht weniger Idealist als Kant. Bedeutet Idealismus die Rückführung alles Seienden auf ein Subjekt oder Bewußtsein, die sich nur dadurch auszeichnen, daß sie in ihrem Sein unbestimmt bleiben und höchstens negativ als »undinglich« charakterisiert werden, dann ist dieser Idealismus methodisch nicht weniger naiv als der grobschlächtigste Realismus.

Es bleibt noch die Möglichkeit, daß man die Realitätsproblematik vor jede »standpunktliche« Orientierung legt mit der These: jedes Subjekt ist, was es ist, nur für ein Objekt und umgekehrt. In diesem formalen Ansatz bleiben aber die Glieder der Korrelation ebenso wie diese selbst ontologisch unbestimmt. Im Grunde aber wird doch das Ganze der Korrelation notwendig als »irgendwie« seiend, also im Hinblick auf eine bestimmte Idee von Sein gedacht. Ist freilich zuvor der existenzial-ontologische Boden gesichert, mit dem Aufweis des In-der-Welt-seins, dann läßt sich nachträglich die genannte Korrelation als formalisierte, ontologisch indifferente Beziehung erkennen.

Die Diskussion der unausgesprochenen Voraussetzungen der nur »erkenntnistheoretischen« Lösungsversuche des Realitätsproblems zeigt, daß es in die existenziale Analytik des Daseins als ontologisches Problem zurückgenommen werden muß1.



1 Neuerdings hat Nicolai Hartmann nach dem Vorgang von Scheler die These vom Erkennen als »Seinsverhältnis« seiner ontologisch orientierten Erkenntnistheorie zugrundegelegt. Vgl. Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. 2. ergänzte Aufl. 1925. – Scheler wie Hartmann verkennen aber in gleicher Weise bei aller Verschiedenheit ihrer phänomenologischen Ausgangsbasis, daß die »Ontologie« in ihrer überlieferten Grundorientierung gegenüber dem Dasein versagt, und daß gerade das im Erkennen beschlossene »Seinsverhältnis« (vgl. oben S. 59 ff.) zu ihrer grundsätzlichen Revision und nicht nur kritischen Ausbesserung zwingt. Die Unterschätzung der unausgesprochenen Auswirkungsweite einer ontologisch ungeklärten Ansetzung des Seinsverhältnisses drängt Hartmann in einen »kritischen Realismus«, der im Grunde dem Niveau der von ihm exponierten Problematik völlig fremd ist. Zu Hartmanns Auffassung der Ontologie vgl. »Wie ist kritische Ontologie überhaupt möglich?« in der Festschrift für Paul Natorp 1924. S. 124 ff.


Martin Heidegger - Sein Und Zeit