wurde1. Jede Auslegung hat ihre Vorhabe, ihre Vorsicht und ihren Vorgriff. Wird sie als Interpretation ausdrückliche Aufgabe einer Forschung, dann bedarf das Ganze dieser »Voraussetzungen«, das wir die hermeneutische Situation nennen, einer vorgängigen Klärung und Sicherung aus und in einer Grunderfahrung des zu erschließenden »Gegenstandes«. Ontologische Interpretation, die Seiendes hinsichtlich der ihm eigenen Seinsverfassung freilegen soll, ist daran gehalten, das thematische Seiende durch eine erste phänomenale Charakteristik in die Vorhabe zu bringen, der sich alle nachkommenden Schritte der Analyse anmessen. Diese bedürfen aber zugleich einer Führung durch die mögliche Vor-sicht auf die Seinsart des betr. Seienden. Vorhabe und Vorsicht zeichnen dann zugleich die Begrifflichkeit vor (Vorgriff), in die alle Seinsstrukturen zu heben sind.
Eine ursprüngliche ontologische Interpretation verlangt aber nicht nur überhaupt eine in phänomenaler Anmessung gesicherte hermeneutische Situation, sondern sie muß sich ausdrücklich dessen versichern, ob sie das Ganze des thematischen Seienden in die Vorhabe gebracht hat. Imgleichen genügt nicht eine obzwar phänomenal gegründete erste Vorzeichnung des Seins dieses Seienden. Die Vor-sicht auf das Sein muß dieses vielmehr hinsichtlich der Einheit der zugehörigen und möglichen Strukturmomente treffen. Erst dann kann die Frage nach dem Sinn der Einheit der Seinsganzheit des ganzen Seienden mit phänomenaler Sicherheit gestellt und beantwortet werden.
Entwuchs die vollzogene existenziale Analyse des Daseins einer solchen hermeneutischen Situation, daß durch sie die fundamentalontologisch geforderte Ursprünglichkeit gewährleistet ist? Kann von dem gewonnenen Ergebnis – das Sein des Daseins ist die Sorge – zur Frage nach der ursprünglichen Einheit dieses Strukturganzen fortgeschritten werden?
Wie steht es um die bislang das ontologische Verfahren leitende Vor-sicht? Die Idee der Existenz bestimmten wir als verstehendes Seinkönnen, dem es um sein Sein selbst geht. Als je meines aber ist das Seinkönnen frei für Eigentlichkeit oder Uneigentlichkeit oder die modale Indifferenz ihrer2. Die bisherige Interpretation beschränkte sich, ansetzend bei der durchschnittlichen Alltäglichkeit, auf die Analyse des indifferenten bzw. uneigentlichen Existierens. Zwar konnte und mußte auch schon auf diesem Wege eine konkrete Bestimmung
1 Vgl. § 32, S. 148 ff.
2 Vgl. § 9, S. 41 ff.