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dem Toten gerade nicht das eigentliche Zuendegekommensein des Verstorbenen erfährt. Der Tod enthüllt sich zwar als Verlust, aber mehr als solcher, den die Verbleibenden erfahren. Im Erleiden des Verlustes wird jedoch nicht der Seinsverlust als solcher zugänglich, den der Sterbende »erleidet«. Wir erfahren nicht im genuinen Sinne das Sterben der Anderen, sondern sind höchstens immer nur »dabei«.

Und selbst wenn es möglich und angängig wäre, das Sterben der Anderen im Dabeisein sich »psychologisch« zu verdeutlichen, die damit gemeinte Weise zu sein, als Zu-Ende-kommen nämlich, wäre keineswegs erfaßt. Die Frage steht nach dem ontologischen Sinn des Sterbens des Sterbenden als einer Seinsmöglichkeit seines Seins und nicht nach der Weise des Mitdaseins und Nochdaseins des Verstorbenen mit den Gebliebenen. Die Anweisung, den an Anderen erfahrenen Tod zum Thema für die Analyse von Daseinsende und Ganzheit zu nehmen, vermag weder ontisch noch ontologisch das zu geben, was sie geben zu können vermeint.

Vor allem aber beruht der Hinweis auf das Sterben Anderer als Ersatzthema für die ontologische Analyse der Daseinsabgeschlossenheit und Ganzheit auf einer Voraussetzung, die sich als eine völlige Verkennung der Seinsart des Daseins nachweisen läßt. Diese Voraussetzung liegt in der Meinung, Dasein könne beliebig durch anderes ersetzt werden, so daß, was am eigenen Dasein unerfahrbar bleibt, am fremden zugänglich werde. Aber ist diese Voraussetzung wirklich so grundlos?

Zu den Seinsmöglichkeiten des Miteinanderseins in der Welt gehört unstreitig die Vertretbarkeit des einen Daseins durch ein anderes. In der Alltäglichkeit des Besorgens wird von solcher Vertretbarkeit vielfältig und ständig Gebrauch macht. Jedes Hingehen zu ..., jedes Beibringen von ... ist im Umkreis der nächstbesorgten »Umwelt« vertretbar. Die weite Mannigfaltigkeit vertretbarer Weisen des In-der-Weltseins erstreckt sich nicht nur auf die abgeschliffenen Modi des öffentlichen Miteinander, sondern betrifft ebenso die auf bestimmte Umkreise eingeschränkten, auf Berufe, Stände und Lebensalter zugeschnittenen Möglichkeiten des Besorgens. Solche Vertretung aber ist ihrem Sinne nach immer Vertretung »in« und »bei« etwas, das heißt im Besorgen von etwas. Das alltägliche Dasein versteht sich aber zunächst und zumeist aus dem her, was es zu besorgen pflegt. »Man ist« das, was man betreibt. Bezüglich dieses Seins, des alltäglichen Miteinanderaufgehens bei der besorgten »Welt«, ist Vertretbarkeit nicht nur überhaupt möglich, sie gehört sogar als Konstitutivum zum Miteinander.


Martin Heidegger - Sein und Zeit