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vorhandenen. Enden als Aufhören kann demnach bedeuten: in die Unvorhandenheit übergehen oder aber gerade erst Vorhandensein mit dem Ende. Dieses letztgenannte Enden kann wiederum entweder ein unfertig Vorhandenes bestimmen – ein im Bau befindlicher Weg bricht ab – oder aber die »Fertigkeit« eines Vorhandenen konstituieren – mit dem letzten Pinselstrich wird das Gemälde fertig.

Aber das Enden als Fertigwerden schließt nicht Vollendung in sich. Wohl muß dagegen, was vollendet sein will, seine mögliche Fertigkeit erreichen. Vollendung ist ein fundierter Modus der »Fertigkeit«. Diese ist selbst nur möglich als Bestimmung eines Vorhandenen oder Zuhandenen.

Auch das Enden im Sinne des Verschwindens kann sich noch entsprechend der Seinsart des Seienden modifizieren. Der Regen ist zu Ende, das heißt verschwunden. Das Brot ist zu Ende, das heißt aufgebraucht, als Zuhandenes nicht mehr verfügbar.

Durch keinen dieser Modi des Endens läßt sich der Tod als Ende des Daseins angemessen charakterisieren. Würde das Sterben als Zu-Ende-sein im Sinne eines Endens der besprochenen Art verstanden, dann wäre das Dasein hiermit als Vorhandenes bzw. Zuhandenes gesetzt. Im Tod ist das Dasein weder vollendet, noch einfach verschwunden, noch gar fertig geworden oder als Zuhandenes ganz verfügbar.

So wie das Dasein vielmehr ständig, solange es ist, schon sein Noch-nicht ist, so ist es auch schon immer sein Ende. Das mit dem Tod gemeinte Enden bedeutet kein Zu-Ende-sein des Daseins, sondern ein Sein zum Ende dieses Seienden. Der Tod ist eine Weise zu sein, die das Dasein übernimmt, sobald es ist. »Sobald ein Mensch zum Leben kommt, sogleich ist er alt genug zu sterben1

Enden als Sein zum Ende verlangt seine ontologische Aufklärung aus der Seinsart des Daseins. Und vermutlich wird auch erst aus der existenzialen Bestimmung von Enden die Möglichkeit eines existierenden Seins des Noch-nicht, das »vor« dem »Ende« liegt, verständlich. Die existenziale Klärung des Seins zum Ende gibt auch erst die zureichende Basis, den möglichen Sinn der Rede von einer Daseinsganzheit zu umgrenzen, wenn anders diese Ganzheit durch den Tod als »Ende« konstituiert sein soll.

Der Versuch, im Ausgang von einer Klärung des Noch-nicht über die Charakteristik des Endens zu einem Verständnis der daseinsmä-



1 Der Ackermann aus Böhmen, hrsg. v. A. Bernt und K. Burdach (Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung, hrsg. v. K. Burdach, Bd. III, 2. Teil) 1917, Kp. 20, S. 46.


Martin Heidegger - Sein und Zeit