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mehr verdeckend, abzuschwächen und sich die Geworfenheit in den Tod zu erleichtern.

Das verdeckende Ausweichen vor dem Tode vermag seinem Sinne nach des Todes nicht eigentlich »gewiß« zu sein und ist es doch. Wie steht es um die »Gewißheit des Todes«?

Eines Seienden gewiß-sein besagt: es als wahres für wahr halten. Wahrheit aber bedeutet Entdecktheit des Seienden. Alle Entdecktheit aber gründet ontologisch in der ursprünglichsten Wahrheit, der Er-schlossenheit des Daseins1. Dasein ist als erschlossen-erschließendes und entdeckendes Seiendes wesenhaft »in der Wahrheit«. Gewißheit aber gründet in der Wahrheit oder gehört ihr gleichursprünglich zu. Der Ausdruck »Gewißheit« hat wie der Terminus »Wahrheit« eine doppelte Bedeutung. Ursprünglich besagt Wahrheit soviel wie Erschließendsein als Verhaltung des Daseins. Die hieraus abgeleitete Bedeutung meint die Entdecktheit des Seienden. Entsprechend bedeutet Gewißheit ursprünglich soviel wie Gewißsein als Seinsart des Daseins. In einer abgeleiteten Bedeutung wird jedoch auch das Seiende, dessen das Dasein gewiß sein kann, ein »gewisses« genannt.

Ein Modus der Gewißheit ist die Überzeugung. In ihr läßt sich das Dasein einzig durch das Zeugnis der entdeckten (wahren) Sache selbst sein verstehendes Sein zu dieser bestimmen. Das Fürwahr-halten ist als Sich-in-der-Wahrheit-halten zulänglich, wenn es im entdeckten Seienden selbst gründet und als Sein zu so entdecktem Seienden hinsichtlich seiner Angemessenheit an dieses sich durchsichtig geworden ist. Dergleichen fehlt in der willkürlichen Erdichtung, bzw. in der bloßen »Ansicht« über ein Seiendes.

Die Zulänglichkeit des Fürwahrhaltens bemißt sich nach dem Wahrheitsanspruch, dem es zugehört. Dieser empfängt sein Recht aus der Seinsart des zu erschließenden Seienden und der Richtung des Erschließens. Mit der Verschiedenheit des Seienden und gemäß der leitenden Tendenz und Tragweite des Erschließens wandelt sich die Art der Wahrheit und damit die Gewißheit. Die vorliegende Betrachtung bleibt auf eine Analyse des Gewiß-seins gegenüber dem Tod eingeschränkt, das am Ende eine ausgezeichnete Daseinsgewißheit darstellt.

Das alltägliche Dasein verdeckt zumeist die eigenste, unbezügliche und unüberholbare Möglichkeit seines Seins. Diese faktische Verdeckungstendenz bewährt die These: Dasein ist als faktisches in der »Un-


1 Vgl. § 44, S. 212 ff., bes. S. 219 ff.


Martin Heidegger - Sein Und Zeit