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hat seine ontologische Möglichkeit darin, daß das Dasein im Grunde seines Seins Sorge ist.

So bedarf es denn keiner Zuflucht zu nichtdaseinsmäßigen Mächten, zumal der Rückgang auf sie die Unheimlichkeit des Rufes so wenig aufklärt, daß er sie vielmehr vernichtet. Liegt der Grund der abwegigen »Erklärungen« des Gewissens nicht am Ende darin, daß man schon für die Fixierung des phänomenalen Befundes des Rufes den Blick zu kurz genommen und stillschweigend das Dasein in einer zufälligen ontologischen Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit vorausgesetzt hat? Warum Auskunft bei fremden Mächten suchen, bevor man sich dessen versichert hat, daß im Ansatz der Analyse das Sein des Daseins nicht zu nieder eingeschätzt, das heißt als harmloses, irgendwie vorkommendes Subjekt, ausgestattet mit personalem Bewußtsein, angesetzt wurde?

Und doch scheint in der Auslegung des Rufers – der weltlich gesehen »Niemand« ist – als einer Macht die unvoreingenommene Anerkennung eines »objektiv Vorfindlichen« zu liegen. Aber recht besehen, ist diese Auslegung nur eine Flucht vor dem Gewissen, ein Ausweg des Daseins, auf dem es sich von der dünnen Wand, die gleichsam das Man von der Unheimlichkeit seines Seins trennt, wegschleicht. Die genannte Auslegung des Gewissens gibt sich aus als Anerkennung des Rufes im Sinne einer »allgemein«-verbindlichen Stimme, die »nicht bloß subjektiv« spricht. Mehr noch, dieses »allgemeine« Gewissen wird zum »Weltgewissen« aufgesteigert, das seinem phänomenalen Charakter nach ein »es« und »Niemand« ist, also doch das, was da im einzelnen »Subjekt« als dieses Unbestimmte spricht.

Aber dieses »öffentliche Gewissen« – was ist es anderes als die Stimme des Man? Auf die zweifelhafte Erfindung eines »Weltgewissens« kann das Dasein nur kommen, weil das Gewissen im Grunde und Wesen je meines ist. Und das nicht nur in dem Sinne, daß je das eigenste Seinkönnen angerufen wird, sondern weil der Ruf aus dem Seienden kommt, das ich je selbst bin.

Mit der vorstehenden Interpretation des Rufers, die rein dem phänomenalen Charakter des Rufens folgt, wird die »Macht« des Gewissens nicht herabgemindert und »bloß subjektiv« gemacht. Im Gegenteil: die Unerbittlichkeit und Eindeutigkeit des Rufes wird so erst frei. Die »Objektivität« des Anrufs erhält dadurch erst ihr Recht, daß die Interpretation ihm seine »Subjektivität« beläßt, die freilich dem Man-selbst die Herrschaft versagt