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verschwiegene, angstbereite Sichentwerfen auf das eigenste Schuldigsein – nennen wir die Entschlossenheit.

Die Entschlossenheit ist ein ausgezeichneter Modus der Erschlossenheit des Daseins. Die Erschlossenheit aber wurde früher1 existenzial interpretiert als die ursprüngliche Wahrheit. Diese ist primär keine Qualität des »Urteils« noch überhaupt eines bestimmten Verhaltens, sondern ein wesenhaftes Konstitutivum des In-der-Welt-seins als solchen. Wahrheit muß als fundamentales Existenzial begriffen werden. Die ontologische Klärung des Satzes: »Dasein ist in der Wahrheit« hat die ursprüngliche Erschlossenheit dieses Seienden als Wahrheit der Existenz angezeigt und für deren Umgrenzung auf die Analyse der Eigentlichkeit des Daseins verwiesen2.

Nunmehr ist mit der Entschlossenheit die ursprünglichste, weil eigentliche Wahrheit des Daseins gewonnen. Die Erschlossenheit des Da erschließt gleichursprünglich das je ganze In-der-Weltsein, das heißt die Welt, das In-Sein und das Selbst, das als »ich bin« dieses Seiende ist. Mit der Erschlossenheit von Welt ist je schon innerweltliches Seiendes entdeckt. Die Entdecktheit des Zuhandenen und Vorhandenen gründet in der Erschlossenheit der Welt3; denn die Freigabe der jeweiligen Bewandtnisganzheit des Zuhandenen verlangt ein Vorverstehen der Bedeutsamkeit. Sie verstehend, weist sich das besorgende Dasein umsichtig auf das begegnende Zuhandene an. Das Verstehen der Bedeutsamkeit als Erschlossenheit der jeweiligen Welt gründet wiederum im Verstehen des Worumwillen, darauf alles Entdecken der Bewandtnisganzheit zurückgeht. Das Umwillen des Unterkommens, des Unterhalts, des Fortkommens sind nächste und ständige Möglichkeiten des Daseins, auf die sich dieses Seiende, dem es um sein Sein geht, je schon entworfen hat. In sein »Da« geworfen, ist das Dasein faktisch je auf eine bestimmte – seine – »Welt« angewiesen. In eins damit sind die nächsten faktischen Entwürfe von der besorgenden Verlorenheit in das Man geführt. Diese kann vom je eigenen Dasein angerufen, der Anruf kann verstanden werden in der Weise der Entschlossenheit. Diese eigentliche Erschlossenheit modifiziert aber dann gleichursprünglich die in ihr fundierte Entdecktheit der »Welt« und die Erschlossenheit des Mitdaseins der Anderen. Die zuhandene »Welt« wird nicht »inhaltlich« eine andere, der Kreis der Anderen



1 Vgl. § 44, S. 212 ff.

2 Vgl. a. a. O. S. 221.

3 Vgl. § 18, S. 83 ff.


Martin Heidegger - Sein und Zeit