Unter der Leitung dieser Idee vollzog sich die vorbereitende Analyse der nächsten Alltäglichkeit bis zur ersten begrifflichen Umgrenzung der Sorge. Dieses Phänomen ermöglichte die verschärfte Fassung der Existenz und der ihr zugehörigen Bezüge zu Faktizität und Verfallen. Die Umgrenzung der Sorgestruktur gab die Basis für eine erste ontologische Unterscheidung von Existenz und Realität1. Dies führte zu der These: Die Substanz des Menschen ist die Existenz2.
Aber selbst diese formale und existenziell unverbindliche Existenzidee birgt doch schon einen bestimmten, wenn auch ungehobenen ontologischen »Gehalt« in sich, der ebenso wie die dagegen abgegrenzte Idee von Realität eine Idee von Sein überhaupt »voraussetzt«. Nur in deren Horizont kann sich die Unterscheidung zwischen Existenz und Realität vollziehen. Beide meinen doch Sein.
Soll aber die ontologisch geklärte Idee des Seins überhaupt nicht erst gewonnen werden durch die Ausarbeitung des zum Dasein gehörenden Seinsverständnisses? Dieses jedoch läßt sich ursprünglich nur fassen auf dem Grunde einer ursprünglichen Interpretation des Daseins am Leitfaden der Existenzidee. Wird so nicht endlich ganz offenkundig, daß sich das aufgerollte fundamentalontologische Problem in einem »Zirkel« bewegt?
Zwar zeigten wir schon bei der Analyse der Struktur des Verstehens überhaupt, daß, was mit dem unangemessenen Ausdruck »Zirkel« bemängelt wird, zum Wesen und zu der Auszeichnung des Verstehens selbst gehört3. Trotzdem muß die Untersuchung jetzt mit Rücksicht auf die Klärung der hermeneutischen Situation der fundamentalontologischen Problematik ausdrücklich auf das »Zirkelargument« zurückkommen. Der gegen die existenziale Interpretation vorgebrachte »Zirkeleinwand« will sagen: die Idee der Existenz und des Seins überhaupt wird »vorausgesetzt« und »darnach« das Dasein interpretiert, um daraus die Idee des Seins zu gewinnen. Allein was bedeutet das »Voraussetzen«? Wird mit der Idee der Existenz ein Satz angesetzt, aus dem wir nach den formalen Regeln der Konsequenz weitere Sätze über das Sein des Daseins deduzieren? Oder hat dieses Voraus-setzen den Charakter des verstehenden Entwerfens, so zwar, daß die solches Verstehen ausbildende Interpretation das Auszulegende
1 Vgl. § 43, S. 200 ff.
2 Vgl. S. 212 und S. 117.
3 Vgl. § 32, S. 152 ff.