318

schon grundsätzlich der Leitfaden des Problems fixiert1: wenn das Selbst zu den wesenhaften Bestimmungen des Daseins gehört, dessen »Essenz« aber in der Existenz liegt, dann müssen Ichheit und Selbstheit existenzial begriffen werden. Negativ zeigte sich denn auch, daß die ontologische Charakteristik des Man jede Verwendung von Kategorien der Vorhandenheit (Substanz) verbietet. Grundsätzlich wurde klar: die Sorge ist ontologisch nicht aus Realität abzuleiten oder mit Kategorien der Realität aufzubauen2. Die Sorge birgt schon das Phänomen des Selbst in sich, wenn anders die These zurecht besteht, der Ausdruck »Selbstsorge« in Anmessung an Fürsorge als Sorge für Andere sei eine Tautologie3. Dann verschärft sich aber das Problem der ontologischen Bestimmung der Selbstheit des Daseins zur Frage nach dem existenzialen »Zusammenhang« zwischen Sorge und Selbstheit.

Die Aufklärung der Existenzialität des Selbst nimmt ihren »natürlichen« Ausgang von der alltäglichen Selbstauslegung des Daseins, das sich über »sich selbst« ausspricht im Ich-sagen. Eine Verlautbarung ist dabei nicht notwendig. Mit »Ich« meint dieses Seiende sich selbst. Der Gehalt dieses Ausdrucks gilt als schlechthin einfach. Er meint je nur mich und nichts weiter. Als dieses Einfache ist das »Ich« auch keine Bestimmung anderer Dinge, selbst nicht Prädikat, sondern das absolute »Subjekt«. Das im Ich-sagen Aus- und An-gesprochene wird immer als dasselbe sich Durchhaltende angetroffen. Die Charaktere der »Simplizität«, »Substantialität« und »Personalität«, die Kant zum Beispiel seiner Lehre »Von den Paralogismen der reinen Vernunft«4 zugrundegelegt, entspringen einer echten vorphänomenologischen Erfahrung. Die Frage bleibt, ob das ontisch dergestalt Erfahrene ontologisch mit Hilfe der genannten »Kategorien« interpretiert werden darf.

Zwar zeigt Kant in strenger Anmessung an den im Ich-sagen gegebenen phänomenalen Bestand, daß die aus den genannten Charakteren erschlossenen ontischen Thesen über die Seelensubstanz ohne Recht sind. Aber hierdurch wird lediglich eine ontische Fehlerklärung des Ich abgewiesen. Damit ist jedoch keineswegs die ontologische Interpretation der Selbstheit gewonnen oder auch nur gesichert und positiv vorbereitet. Wenngleich Kant strenger als seine Vorgänger den phänomenalen Gehalt des Ichsagens festzuhalten sucht, so gleitet er



1 Vgl. § 25, S. 114 ff.

2 Vgl. § 43 c, S. 211.

3 Vgl. § 41, S. 193.

4 Vgl. Kritik der reinen Vernunft 2. A. [B] S. 399; vor allem die Bearbeitung in der 1. Aufl. [A] S. 348 ff.


Martin Heidegger - Sein und Zeit