Nur-sich-umsehen. Damit ist aber noch keineswegs die »theoretische« Haltung der Wissenschaft erreicht. Im Gegenteil, das mit der Hantierung aussetzende Verweilen kann den Charakter einer verschärften Umsicht annehmen als »Nachsehen«, Überprüfen des Erreichten, als Überschau über den gerade »still liegenden Betrieb«. Sich enthalten vom Zeuggebrauch ist so wenig schon »Theorie«, daß die verweilende, »betrachtende« Umsicht ganz dem besorgten, zuhandenen Zeug verhaftet bleibt. Der »praktische« Umgang hat seine eigenen Weisen des Verweilens. Und wie der Praxis ihre spezifische Sicht (»Theorie«) eignet, so ist die theoretische Forschung nicht ohne ihre eigene Praxis. Die Ablesung der Maßzahlen als Resultat eines Experiments bedarf oft eines verwickelten »technischen« Aufbaus der Versuchsanordnung. Das Beobachten im Mikroskop ist angewiesen auf die Herstellung von »Präparaten«. Die archäologische Ausgrabung, die der Interpretation des »Fundes« vorausgeht, erheischt die gröbsten Hantierungen. Aber auch die »abstrakteste« Ausarbeitung von Problemen und Fixierung des Gewonnenen hantiert zum Beispiel mit Schreibzeug. So »uninteressant« und »selbstverständlich« solche Bestandstücke der wissenschaftlichen Forschung sein mögen, sie sind ontologisch keineswegs gleichgültig. Der ausdrückliche Hinweis darauf, daß wissenschaftliches Verhalten als Weise des In-der-Welt-seins nicht nur »rein geistige Tätigkeit« ist, mag sich umständlich und überflüssig ausnehmen. Wenn nur nicht an dieser Trivialität deutlich würde, daß es keineswegs am Tag liegt, wo denn nun eigentlich die ontologische Grenze zwischen dem »theoretischen« Verhalten und dem »atheoretischen« verläuft!
Man wird geltend machen, daß alle Hantierung in der Wissenschaft nur im Dienst der reinen Betrachtung, des untersuchenden Entdeckens und Erschließens der »Sachen selbst« steht. Das »Sehen«, im weitesten Sinne genommen, regelt alle »Veranstaltungen« und behält den Vorrang. »Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, es ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselben unmittelbar bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, (v. Vf. gesp.), die Anschauung«.1 Die Idee des intuitus leitet seit den Anfängen der griechischen Ontologie bis heute alle Interpretation der Erkenntnis, mag er faktisch erreichbar sein oder nicht. Gemäß dem Vorrang des »Sehens« wird der Aufweis der existenzialen Genesis der Wissenschaft bei der Charakteristik der Umsicht einsetzen müssen, die das »praktische« Besorgen führt.
1 Kant, Kr. d. r. V. 2.A. [B] S. 33.