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im vorhinein »taktisch« gewärtig bleibt, ergeben das »Schicksal«. Aus dem Besorgten errechnet sich das uneigentlich existierende Dasein erst seine Geschichte. Und weil es dabei, umgetrieben von seinen »Geschäften«, aus der Zerstreuung und dem Unzusammenhang des gerade »Passierten« sich erst zusammenholen muß, so es zu ihm selbst kommen will, erwächst überhaupt nur erst aus dem Verständnishorizont der uneigentlichen Geschichtlichkeit die Frage nach einem zu stiftenden »Zusammenhang« des Daseins im Sinne der »auch« vorhandenen Erlebnisse des Subjektes. Die Möglichkeit der Herrschaft dieses Fragehorizontes gründet in der Unentschlossenheit, die das Wesen der Un-ständigkeit des Selbst ausmacht.

Damit ist der Ursprung der Frage nach einem »Zusammenhang« des Daseins im Sinne der Einheit der Verkettung der Erlebnisse zwischen Geburt und Tod aufgezeigt. Die Herkunft der Frage verrät zugleich ihre Unangemessenheit in Absicht auf eine ursprüngliche existenziale Interpretation der Geschehensganzheit des Daseins. Bei der Vorherrschaft dieses »natürlichen« Fragehorizontes wird aber andererseits erklärlich, warum es so aussieht, als vermöchte gerade die eigentliche Geschichtlichkeit des Daseins, Schicksal und Wiederholung, am allerwenigsten den phänomenalen Boden zu liefern, um das, was die Frage nach dem »Zusammenhang des Lebens« im Grunde intendiert, in die Gestalt eines ontologisch gegründeten Problems zu bringen.

Die Frage kann nicht lauten: wodurch gewinnt das Dasein die Einheit des Zusammenhangs für eine nachträgliche Verkettung der erfolgten und erfolgenden Abfolge der »Erlebnisse«, sondern: in welcher Seinsart seiner selbst verliert es sich so, daß es sich gleichsam erst nachträglich aus der Zerstreuung zusammenholen und für das Zusammen eine umgreifende Einheit sich erdenken muß? Die Verlorenheit in das Man und an das Welt-Geschichtliche enthüllte sich früher als Flucht vor dem Tode. Diese Flucht vor... offenbart das Sein zum Tode als eine Grundbestimmtheit der Sorge. Die vorlaufende Entschlossenheit bringt dieses Sein zum Tode in die eigentliche Existenz. Das Geschehen dieser Entschlossenheit aber, das vorlaufend sich überliefernde Wiederholen des Erbes von Möglichkeiten, interpretierten wir als eigentliche Geschichtlichkeit. Liegt etwa in dieser die ursprüngliche, unverlorene, eines Zusammenhangs unbedürftige Erstrecktheit der ganzen Existenz? Die Entschlossenheit des Selbst gegen die Unständigkeit der Zerstreuung ist in sich selbst die erstreckte Stätigkeit, in der das Dasein als Schicksal Geburt und Tod und ihr »Zwischen« in seine Existenz


Martin Heidegger - Sein und Zeit