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Die Frage, ob und wie der Zeit ein »Sein« zukommt, warum und in welchem Sinne wir sie »seiend« nennen, kann erst beantwortet werden, wenn gezeigt ist, inwiefern die Zeitlichkeit selbst im Ganzen ihrer Zeitigung so etwas wie Seinsverständnis und Ansprechen von Seiendem möglich macht. Als Gliederung des Kapitels ergibt sich folgende: die Zeitlichkeit des Daseins und das Besorgen von Zeit (§ 79); die besorgte Zeit und die Innerzeitigkeit (§ 80); die Innerzeitigkeit und die Genesis des vulgären Zeitbegriffes (§ 81); die Abhebung des existenzial-ontologischen Zusammenhanges von Zeitlichkeit, Dasein und Weltzeit gegen Hegels Auffassung der Beziehung zwischen Zeit und Geist (§ 82); die existenzial-zeitliche Analytik des Daseins und die fundamentalontologische Frage nach dem Sinn von Sein überhaupt (§ 83).



§ 79. Die Zeitlichkeit des Daseins und das Besorgen von Zeit


Das Dasein existiert als ein Seiendes, dem es in seinem Sein um dieses selbst geht. Wesenhaft ihm selbst vorweg, hat es sich vor aller bloßen und nachträglichen Betrachtung seiner selbst auf sein Seinkönnen entworfen. Im Entwurf ist es als geworfenes enthüllt. Geworfen der »Welt« überlassen, verfällt es besorgend an sie. Als Sorge, das heißt existierend in der Einheit des verfallend geworfenen Entwurfs, ist das Seiende als Da erschlossen. Mitseiend mit Anderen, hält es sich in einer durchschnittlichen Ausgelegtheit, die in der Rede artikuliert und in der Sprache ausgesprochen ist. Das In-der-Welt-sein hat sich schon immer ausgesprochen, und als Sein beim innerweltlich begegnenden Seienden spricht es sich ständig im Ansprechen und Besprechen des Besorgten selbst aus. Das umsichtig verständige Besorgen gründet in der Zeitlichkeit und zwar im Modus des gewärtigend-behaltenden Gegenwärtigens. Als besorgendes Verrechnen, Planen, Vorsorgen und Verhüten sagt es immer schon, ob lautlich vernehmbar oder nicht: »dann« – soll das geschehen, »zuvor« – jenes seine Erledigung finden, »jetzt« – das nachgeholt werden, was »damals« mißlang und entging.

Im »dann« spricht sich das Besorgen gewärtigend aus, behaltend im »damals« und gegenwärtigend im »jetzt«. Im »dann« liegt meist unausdrücklich das »jetzt noch nicht«, das heißt, es ist gesprochen im gewärtigend-behaltenden, bzw. -vergessenden Gegenwärtigen. Das »damals« birgt in sich das »jetzt nicht mehr«. Mit ihm spricht sich das Behalten als gewärtigendes Gegenwärtigen aus. Das »dann« und das »damals« sind mitverstanden im Hinblick auf ein »jetzt«, das


Martin Heidegger - Sein und Zeit