der bisher gewonnenen Seinsverfassung dieses Seienden sichtbar gemacht werden. Die so angesetzte ontologische Analyse des Gewissens liegt vor einer psychologischen Deskription von Gewissenserlebnissen und ihrer Klassifikation, ebenso außerhalb einer biologischen »Erklärung«, das heißt Auflösung des Phänomens. Aber nicht geringer ist ihr Abstand von einer theologischen Ausdeutung des Gewissens oder gar einer Inanspruchnahme dieses Phänomens für Gottesbeweise oder ein »unmittelbares« Gottesbewußtsein,
Gleichwohl darf auch bei dieser eingeschränkten Untersuchung des Gewissens ihr Ertrag weder übersteigert, noch unter verkehrte Ansprüche gestellt und herabgemindert werden. Das Gewissen ist als Phänomen des Daseins keine vorkommende und zuweilen vorhandene Tatsache. Es »ist« nur in der Seinsart des Daseins und bekundet sich als Faktum je nur mit und in der faktischen Existenz. Die Forderung eines »induktiven empirischen Beweises« für die »Tatsächlichkeit« des Gewissens und die Rechtmäßigkeit seiner »Stimme« beruht auf einer ontologischen Verkehrung des Phänomens. Diese Verkehrung teilt aber auch jede überlegene Kritik des Gewissens als einer nur zeitweise vorkommenden und nicht »allgemein festgestellten und feststellbaren Tatsache«. Unter solche Beweise und Gegenbeweise läßt sich das Faktum des Gewissens überhaupt nicht stellen. Das ist kein Mangel, sondern nur das Kennzeichen seiner ontologischen Andersartigkeit gegenüber umweltlich Vorhandenem.
Das Gewissen gibt »etwas« zu verstehen, es erschließt. Aus dieser formalen Charakteristik entspringt die Anweisung, das Phänomen in die Erschlossenheit des Daseins zurückzunehmen. Diese Grundverfassung des Seienden, das wir je selbst sind, wird konstituiert durch Befindlichkeit, Verstehen, Verfallen und Rede. Die eindringlichere Analyse des Gewissens enthüllt es als Ruf. Das Rufen ist ein Modus der Rede. Der Gewissensruf hat den Charakter des Anrufs des Daseins auf sein eigenstes Selbstseinkönnen und das in der Weise des Aufrufs zum eigensten Schuldigsein.
Diese existenziale Interpretation liegt der alltäglichen ontischen Verständigkeit notwendig fern, ob sie gleich die ontologischen Fundamente dessen herausstellt, was die vulgäre Gewissensauslegung in gewissen Grenzen immer verstanden und als »Theorie« des Gewissens auf einen Begriff gebracht hat. Daher bedarf die existenziale Interpretation der Bewährung durch eine Kritik der vulgären Gewissensauslegung. Aus dem herausgestellten Phänomen kann erhoben werden, inwiefern es ein eigentliches Seinkönnen des Daseins bezeugt. Dem Gewissensruf entspricht ein mögliches Hören. Das Anrufverstehen