enthüllt sich als Gewissenhabenwollen. In diesem Phänomen aber liegt das gesuchte existenzielle Wählen der Wahl eines Selbstseins, das wir, seiner existenzialen Struktur entsprechend, die Entschlossenheit nennen. Die Gliederung der Analysen dieses Kapitels ist damit vorgegeben: die existenzialontologischen Fundamente des Gewissens (§ 55); der Rufcharakter des Gewissens (§ 56); das Gewissen als Ruf der Sorge (§ 57); Anruf verstehen und Schuld (§ 58); die existenziale Interpretation des Gewissens und die vulgäre Gewissensauslegung (§ 59); die existenziale Struktur des im Gewissen bezeugten eigentlichen Seinkönnens (§ 60).
§ 55. Die existenzial-ontologischen Fundamente des Gewissens
Die Analyse des Gewissens nimmt ihren Ausgang von einem indifferenten Befund an diesem Phänomen: daß es in irgend einer Weise einem etwas zu verstehen gibt. Das Gewissen erschließt und gehört deshalb in den Umkreis der existenzialen Phänomene, die das Sein des Da als Erschlossenheit konstituieren1. Die allgemeinsten Strukturen von Befindlichkeit, Verstehen, Rede und Verfallen wurden auseinandergelegt. Wenn wir das Gewissen in diesen phänomenalen Zusammenhang bringen, dann handelt es sich nicht um eine schematische Anwendung der dort gewonnenen Strukturen auf einen besonderen »Fall« von Erschließung des Daseins. Die Interpretation des Gewissens wird vielmehr die frühere Analyse der Erschlossenheit des Da nicht nur weiterführen, sondern ursprünglicher fassen im Hinblick auf das eigentliche Sein des Daseins.
Durch die Erschlossenheit ist das Seiende, das wir Dasein nennen, in der Möglichkeit, sein Da zu sein. Mit seiner Welt ist es für es selbst da und zwar zunächst und zumeist so, daß es sich das Seinkönnen aus der besorgten »Welt« her erschlossen hat. Das Seinkönnen, als welches das Dasein existiert, hat sich je schon bestimmten Möglichkeiten überlassen. Und das, weil es geworfenes Seiendes ist, welche Geworfenheit durch das Gestimmtsein mehr oder minder deutlich und eindringlich erschlossen wird. Zur Befindlichkeit (Stimmung) gehört gleichursprünglich das Verstehen. Dadurch »weiß« das Dasein, woran es mit ihm selbst ist, sofern es sich auf Möglichkeiten seiner selbst entworfen hat, bzw. sich solche, aufgehend im Man, durch dessen öffentliche Ausgelegtheit vorgeben ließ. Diese Vorgabe aber ermöglicht sich existenzial dadurch, daß das Dasein als verstehendes
1 Vgl. §§ 28 ff., S. 130 ff.