Mitsein auf Andere hören kann. Sich verlierend in die Öffentlichkeit des Man und sein Gerede überhört es im Hören auf das Man-selbst das eigene Selbst. Wenn das Dasein aus dieser Verlorenheit des Sichüberhörens soll zurückgebracht werden können – und zwar durch es selbst – dann muß es sich erst finden können, sich selbst, das sich überhört hat und überhört im Hinhören auf das Man. Dieses Hinhören muß gebrochen, das heißt es muß ihm vom Dasein selbst die Möglichkeit eines Hörens gegeben werden, das jenes unterbricht. Die Möglichkeit eines solchen Bruchs liegt im unvermittelten Angerufenwerden. Der Ruf bricht das sich überhörende Hinhören des Daseins auf das Man, wenn er, seinem Rufcharakter entsprechend, ein Hören weckt, das in allem gegenteilig charakterisiert ist im Verhältnis zum verlorenen Hören. Wenn dieses benommen ist vom »Lärm« der mannigfaltigen Zweideutigkeit des alltäglich »neuen« Geredes, muß der Ruf lärmlos, unzweideutig, ohne Anhalt für die Neugier rufen. Was dergestalt rufend zu verstehen gibt, ist das Gewissen.
Das Rufen fassen wir als Modus der Rede. Sie gliedert die Verständlichkeit. Die Charakteristik des Gewissens als Ruf ist keineswegs nur ein »Bild«, etwa wie die Kantische Gerichtshofvorstellung vom Gewissen. Wir dürfen nur nicht übersehen, daß für die Rede und somit auch den Ruf die stimmliche Verlautbarung nicht wesentlich ist. Jedes Aussprechen und »Ausrufen« setzt schon Rede voraus1. Wenn die alltägliche Auslegung eine »Stimme« des Gewissens kennt, dann ist dabei nicht so sehr an eine Verlautbarung gedacht, die faktisch nie vorfindlich wird, sondern »Stimme« ist aufgefaßt als das Zu-verstehen-geben. In der Erschließungstendenz des Rufes liegt das Moment des Stoßes, des abgesetzten Aufrüttelns. Gerufen wird aus der Ferne in die Ferne. Vom Ruf getroffen wird, wer zurückgeholt sein will.
Mit dieser Kennzeichnung des Gewissens ist aber nur erst der phänomenale Horizont für die Analyse seiner existenzialen Struktur umrissen. Das Phänomen wird nicht mit einem Ruf verglichen, sondern als Rede aus der für das Dasein konsumtiven Erschlossenheit verstanden. Die Betrachtung vermeidet von Anfang an den Weg, der sich zunächst für eine Interpretation des Gewissens anbietet: man führt das Gewissen auf eines der Seelenvermögen, Verstand, Wille oder Gefühl, zurück oder erklärt es als ein Mischprodukt aus diesen. Angesichts eines Phänomens von der Art des Gewissens springt das
1 Vgl. § 34, S. 160 ff.